Seitenbanner

Brief vom 6. Mai 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


411.


[399]
Marly den 6. May 1700.
… Monsieur hatt gottlob das fieber verlaßen; I. L. seindt aber noch gantz matt undt recht melancolisch, nimbt lust in nichts. Ich glaube, wo die trawerigkeit herkompt: I. L. sehen woll, daß das vergangene leben kein gutt mehr thun will undt all sein absehen, thun undt laßen war nur hirauff gericht; nichts anderst gefehlt ihm, will doch auch nicht gern sterben, sicht aber woll, daß das leben undt was er pflegt zu thun nicht mehr ahngehen kan; das macht I. L. gantz betrübt undt die betrübnuß hindert, daß [400] die kräfften nicht recht wiederkommen können; bin also recht in sorgen vor Monsieur. Von einer solchen eygenliebe, wie der Churfürst von Brandenburg zu sich selber tregt, habe ich nie gehört; sie muß blindt sein, denn wenn I. L. sehen könten, daß sie so übel geschaffen sein, solte es ihn vielmehr betrüben alß erfrewen. I. L. der Churfürst von Brandenburg muß das reisen unerhört lieben, denn man hört ja immer, daß I. L. reisen. … Ich habe mons. Daveaux[1] in vertrawen gefragt, ob des Königs in Schweden[2] unglück nach dem fall mitt dem pferdt wahr seye? Er sagt, daß dießer König einen harten fall mitt einem pferdt gethan, das seye wahr, hette sich sehr blessirt, undt daß, wie seine großfrawmutter die Königin ihn getrieben, ahn heürahten zu gedencken, soll er sie sehr gebetten [haben], ihm nie davon zu sprechen; soll drauff eine geheime conferentz mitt dießer Königin gehabt haben, welche nicht mehr von heürahten gesprochen; welches jederman hatt judiciren machen, daß der fall den König zu sehr blessirt habe, umb mehr deütich[3] zum ehestandt sein zu können. Ob es aber ein mal incurable ist oder nicht, weiß mons. Daveaux nicht. Mein sohn hatt so ein starck genie vor alles was zur mahlerey gehört, daß er zum desein nie keine hülff nimbt, reist alles nach der natur undt lebendigen figuren ab; Copel[4], so sein meister geweßen, sagt, daß alle mahler sich frewen sollen, daß mein sohn ein großer herr seye, denn were er ein gemeiner kerl, würde er sie alle übertreffen; er kan alles reißen, was ihm im kopff kompt, hatt die idéen starck undt stelt die posturen leicht, so schwer sie auch sein mögen. …
Ich kan nicht begreiffen, wie man sich hatt einbilden können, daß einige gottesfurcht undt devotion in dem hohen liedt Salomonis stecken könte; man kans ja nur leßen, umb zu sehen, daß es possen sein von einem verliebten. Das erquickte der herrn jesuwitter zu Regensburg das hertz, zwey jungen zu sehen, die sich verliebt von einander stelten. Ich lese jetzt den prediger Salomonis, finde es ein schön buch, allein mich wundert, daß man es unter die bücher von der bibel gethan, denn man sicht clar drauß, daß Salomon keine andere welt geglaubt hatt. …
Die gutte jungfer Colb betrog ich offt in meinen jungen jahren mitt nachts zu eßen, allein wir aßen nicht so delicatte sachen alß wie chocolatte, caffé undt thé, sondern wir fraßen einen gutten krautsalat mitt speck. Ich erinere mich, daß man einsmahl in meiner cammer zu Heydelberg eine thür verendert undt derowegen mein undt der Colbin bett in die cammer thate, so vor meiner jungfern cammer war; die Colbin hatte mir verbotten, nachts in der jungfern cammer zu gehen, ich versprach, nicht über die schwelle zu [401] kommen, sie solte sich nur zu bett begeben, ich könte noch nicht schlaffen, wolte die sternen noch ein wenig ahm fenster betrachten. Die Colbin wolte mir nicht trawen, blieb immer ahn ihrem nachtuch sitzen; ich sagte, sie jammerte mich, sie solte sich doch zu bett legen undt den vorhang auffmachen, so könte sie mich ja sehen; das that sie. Sobaldt sie im bett war, machten die jungfern ihre thür auff undt setzten den theller mit dem specksalat auff die schwell; ich that alß wenn mein schnuptuch gefahlen were, hub damitt den theller auff undt ging stracks ahns fenster; kaum hatte ich 3 gutte maul voll geschluckt, so schießt man auff einmahl das stück loß, so auff der altan vor meine fenster war, denn es war ein brandt in der statt ahngangen. Die Colbin, so das feüer unerhört fürcht, springt auß dem bett, ich, auß forcht, ertapt zu werden, werfe mein serviet mitt sambt dem silbern theller mitt salat zum fenster ’nauß, hatte also nichts mehr, das maul abzuwischen. In dem höre ich die höltzerne stiege herauff gehen, das war der Churfürst unßer papa s[eelig], der kam in mein cammer, zu sehen, wo der brand war. Wie er mich so mitt dem fetten maul undt kinn sahe, fing er ahn zu schwöhren: sacrement, Lisselotte, ich glaub, ihr schmirt euch etwaß auff den gesicht. Ich sagte: es ist nur mundtpomade, die ich wegen der gespaltenen leffzen geschmirt habe. Papa s[eelig] sagte: ihr seydt schmutzig. Da kam mir das lachen ahn, papa undt alle, so bey ihm waren, meinten, ich were närisch worden, so zu lachen. Die raugräffin kame auch herauff undt ging durch meiner jungfern kammer, kam daher undt sagte: ah, wie richts in der jungfern cammer nach specksalat. Da merckte der Churfürst den possen undt sagte: Das ist denn ewer mundtpomade, Lisselotte. Wie ich sahe, daß der Churfürst in gutter laun war, gestundt ich die sache undt verzehlte den gantzen handel, wie ich die hoffmeisterin betrogen hette. Der Churfürst s[eelig] lachte nur drüber, aber die Colbin hatt mirs lang nicht verziehen. Diß ist eine alte historie, sage sie nur, umb E. L. zu erweißen, daß ich den spaß woll kene, so man in der jugendt hatt, etwaß nachts gegen der hoffmeisterin willen zu eßen. …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Mai 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 399–401
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0411.html
Änderungsstand:
Tintenfass