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Brief vom 12. August 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


423.


[410]
St. Clou den 12. Augusti 1700.
Ich finde, daß E. L. gar einen hohen stiel schreiben; so schön könte ichs nicht machen, aber ich kan gott lob meinen zorn beßer hemmen. Ich muß lachen, daß E. L. belieben zu sagen, daß Franckreich, Engellandt undt Hollandt alß wie die dreyeinigkeit die welt regiren wollen; ahn die dreyeinigkeit hatt man nicht mühe zu glauben, die ist gar augenscheinlich. E. L. werden nun schon woll wißen, daß der duc de Glocester gestorben ist[1]. Solten die Engellander sich noch opiniatriren, den printz von Wallis nicht vor König nach König Wilhelm haben zu wollen, so ist niemandts naher bey der cron alß E. L.[2] Das were artig, daß E. L. noch Königin würden. Ich wünschte es E. L. lieber, alß mir selbsten. Wenn E. L. Königin in Engellandt würden, solte Dero herr sohn der Churfürst, glaube ich, seinen herrn brudern gern Hannover undt Zelle theyllen laßen, würde ihnen also allen geholffen werden. …
Alles ist hir auff denselben schlag. Der König kan nichts leyden alß seine alte[3] undt die duchesse de Bourgogne[4]; Msgr.[5] ist immer in seinem serail bey der princes de Conti[6]; der duc de Bourgogne ist ein recht monstre, ärger alß vetter Lutz von Landsberg war, außer daß er nicht stammelt wie er, seüfft unerhört undt ist amportirt undt violent, gar nicht höfflich; der duc Danjou[7] ist 17 jahr alt undt wirdt gehalten wie ein kindt von 8 jahren, geht noch umb 9 nach bett, den erziehen sie gantz einfältig; der duc de Bery[8] der hatt mehr verstandt alß dießer, lacht drüber. Mein sohn führt ein sehr desbauchirt leben, steckt immer bey schlime geselschafft zu Paris; seine gemahlin[9] meint, in der welt seye nichts schöners alß sie, ich finde sie aber sehr unahngenehm; mein sohn merckts nicht, wie coquet seine [411] gemahlin ist; er hatt sonsten verstandt genung, aber in dießer sach ist er so einfältig wie ein kindt, undt weillen ich sehe, daß er damitt ruhig ist, desabusire ich ihn nicht. Mons. le prince[10] wirdt kräncklich undt sehr gritlich; mons. le duc[11] thut nichts alß sauffen undt ist sehr brutal; der printz de Conti[12] ist nicht brutal, aber auff allerhandt art desbauchirt undt ventre à terre, wie man im sprichwort sagt, vor alles was nur den nahmen von faveur hatt, es seye bey dem König oder bey Msgr., undt einen ewigen haß vor alle souverains. Le clergé, so versamblet ist, können sich nicht accordiren. Die meisten courtisans seindt raporteurs; alle damens intrigant undt spillerinen. So ist der hoff nun beschaffen. Die duchesse de Bourgogne thut alles was sie will; es kompt ihr eine quinte ahn, 4 oder 5 meill wegs spatziren zu fahren, kompt erst in der finstern nacht wider; zu Marly rennt sie biß umb 4 morgendts in dem gartten herumb, undt zu Versaille leüfft sie muttersallein durchs gantze schloß, es sey nacht oder tag; das findt man alles artig. Hetten mad. la dauphine oder ich es gethan, man hette unß weg gejagt. Ich muß auch ein wenig von den ministern sprechen. Man kan keinen arogantern noch impertinentern noch brutalern kerl sehen alß Barbessieux[13] ist: er hatt alle seines vatters böße qualiteten undt hatt die gutten nicht; Torci[14] ist noch unleydtlicher, er hatt eben so gutte einbildungen alß der ander, ist aber sot undt impertinent; der cantzler[15] ist ein gutter ehrlicher mann, undt der controleur general mons. de Chamillar[16] auch, die seindt beyde lobenswehrt, gar nicht impertinent, sondern recht höfflich undt wißen woll zu leben. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. August 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 410–411
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0423.html
Änderungsstand:
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