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Brief vom 21. September 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


428.


[416]
Port Royal den 21. Sept. 1700.
… Ich sehe mit freüden, daß E. L. gleich nach der post gefragt haben, wie sie zu Wesel ahnkommen sein … Ich wundere mich, daß man E. L. überall haranguirt undt in den waffen entpfängt, da sie doch incognito reißen. Man sagt hir, I. L. der Churprintz von Brandenburg werde stadthalter von Hollandt ahn König Wilhelms platz werden undt daß ihn der Churfürst sein herr vatter deßwegen zu König Wilhelm geschickt hatt. Ich kan gar leicht begreiffen, daß E. L. dießen enckel lieber haben alß die andern, deren pfeffer so mitt maußdreck[1] vermischt ist. Mein Gott, weillen E. L. ja gantz incognito sein undt die wapen von den kutzschen gethan, könte es nicht möglich sein, daß sie follendts ein röndtgen[2] nach Maubisson thun mögten? denn ich kan ohnmöglich auff die frontiere. Mein leben ist auch warlich gar zu gezwungen, aber ich habe mein leben dießes nicht härter entpfunden, alß eben nun. Mich deücht, ich müste eschapiren undt zu E. L. lauffen, so schwer ich auch bin. Dieß wirdt mir Fontainebleau selber trawerig vorkommen machen, wenn ich bedencke, daß ich nur bey denen werde sein müßen, so mich haßen, undt die, so ich gewiß weiß so mir gnädig sein, nicht sehen darff, ob sie zwar nahe sein. Ich schreibe, mein hertzlieb ma tante, dießes nicht mitt druckenen augen. Madame sein ist ein ellendes handwerck, hette ichs wie die chargen hir im landt verkauffen können, hette ichs lengst feil getragen. Nach E. L. großen einsambkeit, so sie zu Hernhaussen gehabt haben, muß ihnen die große geselschafft viel verenderung geben, denn alle der damen gesprech ist ein ander geschnadter alß E. L. enten ihres … Wir haben hier gar wenig neues. Der König hatt den duc d’Estré[3] in die bastille par lettre de cachet setzen laßen. Er hatte einen großen brieff vor etlichen wochen ahn den König geschrieben, worinen er versprochen, die desbauchen zu quittiren undt woll zu leben; dießes ungeacht hatt er sich mitt seinen eygenen laquayen sternsvoll gesoffen undt haben heüßer in Paris [417] ahngezündt. Sich voll sauffen undt allerhandt insolentzien zu thun, das ist die gentillesse von den jungen leütten von qualitet jetziger zeit, aber mitt raisonablen leütten können sie kein zwey wort reden; nichts ist brutaller alß die junge leütte jetzt sein. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. September 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 416–417
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0428.html
Änderungsstand:
Tintenfass