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Port Royal den 21. Sept. 1700.
… Ich sehe mit freüden, daß E. L. gleich nach der post gefragt
haben, wie sie zu Wesel ahnkommen sein … Ich wundere mich, daß man E.
L. überall haranguirt undt in den waffen entpfängt, da sie doch incognito
reißen. Man sagt hir, I. L. der Churprintz von Brandenburg werde
stadthalter von Hollandt ahn König Wilhelms platz werden undt daß ihn der
Churfürst sein herr vatter deßwegen zu König Wilhelm geschickt hatt. Ich
kan gar leicht begreiffen, daß E. L. dießen enckel lieber haben alß die andern,
deren pfeffer so mitt maußdreck
[1] vermischt ist. Mein Gott, weillen E. L.
ja gantz incognito sein undt die wapen von den kutzschen gethan, könte es
nicht möglich sein, daß sie follendts ein röndtgen
[2] nach Maubisson thun
mögten? denn ich kan ohnmöglich auff die frontiere. Mein leben ist auch
warlich gar zu gezwungen, aber ich habe mein leben dießes nicht härter
entpfunden, alß eben nun. Mich deücht, ich müste eschapiren undt zu E. L.
lauffen, so schwer ich auch bin. Dieß wirdt mir Fontainebleau selber trawerig
vorkommen machen, wenn ich bedencke, daß ich nur bey denen werde sein
müßen, so mich haßen, undt die, so ich gewiß weiß so mir gnädig sein, nicht
sehen darff, ob sie zwar nahe sein. Ich schreibe, mein hertzlieb ma tante,
dießes nicht mitt druckenen augen. Madame sein ist ein ellendes handwerck,
hette ichs wie die chargen hir im landt verkauffen können, hette ichs lengst
feil getragen. Nach E. L. großen einsambkeit, so sie zu Hernhaussen gehabt
haben, muß ihnen die große geselschafft viel verenderung geben, denn alle
der damen gesprech ist ein ander geschnadter alß E. L. enten ihres … Wir
haben hier gar wenig neues. Der König hatt den duc d’Estré
[3] in die
bastille par lettre de cachet setzen laßen. Er hatte einen großen brieff vor
etlichen wochen ahn den König geschrieben, worinen er versprochen, die
desbauchen zu quittiren undt woll zu leben; dießes ungeacht hatt er sich mitt
seinen eygenen laquayen sternsvoll gesoffen undt haben heüßer in Paris
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ahngezündt. Sich voll sauffen undt allerhandt insolentzien zu thun, das
ist die gentillesse von den jungen leütten von qualitet jetziger zeit, aber mitt
raisonablen leütten können sie kein zwey wort reden; nichts ist brutaller alß
die junge leütte jetzt sein. …