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Brief vom 20. Dezember 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


438.


[424]
Versaille den 20. December 1700.
… Heütte morgen ist der herr von Loo zu mir kommen; er hatt mir gesagt, wie er vor ein par jahren die gnade gehabt hette, mitt E. L. undt die liebe Königin[1] zu reißen, war auch dabey, wie E. L. über die estrade zu Clef fiellen. Er hatt mir eine circonstantz von Helmonts[2] todt verzehlt, sagt, daß er nicht gar lang vor seinem todt ein freüllen von Merode[3] auß einem closter geholffen hette undt ihr machen einen unterambtman in einem dorff heürahten, hette ihr hernach seine philosophie gelehrnt, undt wie er gefühlt, daß er nahe bey seinem todt were, hette er dieße dame kommen laßen, umb ihr seinen geist zu geben, hette ihr gesagt, ihren mundt auff den seinen zu thun, hatt ihr damitt ins maul gehaucht undt gesagt: Ich erlaße euch meinen geist, hette sich darauff gewendt undt were gleich gestorben. Die dame aber glaube jetzt fest, sie hette Helmonts geist in sich. Mich deücht, daß wenn man von den gedancken judiciren solte, so ist unßer geist mehr in unßerm kopff, alß im leib, also deücht mir, daß, umb einen geist zu entpfangen, man eher das ohr alß den mundt darreichen solte, denn käme der geist in den magen, könte man ihn woll wider durch die natürliche winde fortschicken, also zu förchten, daß des gutten mons. Helmonts geist in ein heimlich gemach gefahren ist ahnstatt bey der mad. Merode zu bleyben. …
[425] Der Keyßer erweist auch woll die fatalitet, denn I. K. M. hatten keine zeit verlohren, hatten den beichtsvatter vom König in Spanien s[eelig] gewohnen, welcher dießen König ein testament en faveur des Ertzhertzogs[4] hatte unterschreiben machen, meinte also, seine sache gantz sicher zu haben, undt es were auch geweßen, wenn der beichtsvatter den König in Spanien nicht quittirt hette. Dießer mönch aber wolte erweißen, wie woll er sein handtwerck wuste, ging zum cardinal de Porte Carero[5] undt sagte zu ihm, er könte dem König nun alß ertzbischoff von Toledo die absolution geben, denn er hette I. M. seel in einen standt gesetzt, daß er seelig abscheyden könte. Der cardinal andtwortete, weillen dem also seye, hette der beichtsvatter nichts mehr bey dem König zu thun, solte ihn also gewehren laßen; ging damitt zum König undt sagte blat herauß, er könte I. M. die absolution nicht geben. Der König fragte: weßwegen? Der cardinal sagte: weillen I. M. Dero rechtmäßigem erben unrecht thun undt einen erwehlen, ihr Königreich zu laßen, dem es nicht mitt recht zukompt, alß nehmblich dem Ertzhertzog. I. M. reich gehört mitt recht dem dauphin undt seinen söhnen. Der König sagte: es ist wahr, daß ich ein testament vor den Ertzhertzog unterschrieben habe, ich kans aber nicht mehr endern, denn ich bin in keinem standt, ein anderes zu machen. Der cardinal sagte, er hette eines gantz fertig im sack, der König solte es nur unterschreiben, wenn er es ihm würde vorgeleßen haben; that es gleich undt der König unterschrieb es. Da gab er ihm die absolution undt ließ den beichtsvatter nicht mehr ins Königs cammer. So ist es hergangen. Da sehen E. L. woll, daß es des Keyßers schuldt nicht geweßen, denn der Keyßer konte nicht errahten, daß der beichtsvatter sich alß ein sot würde vom cardinal de Porte Carero attrapiren laßen. Es war ein dominicaner; ich glaube, daß, wenn es ein jessuwit geweßen were, hette er sich nicht so leicht attrapiren laßen … Ich habe von hertzen des Königs in Spanien abreiß beweint, denn ich hatte das gutte kindt lieb wegen sein auffrichtig gemühte, undt nicht wie eine dame, so auch hertzlich damahl weinte; eine von ihren gutten freündinen sagte zu ihr: d’où vient que vous pleurés tant l’absence du Roy d’Espagne, que vous ne connoissés que de veue? Sie antwortet: on m’a dit qu’il est magnifiquement fait et d’une force estonnante, il va porter tout cela à des vilaines Espagnolles qui n’en connoisteront pas le meritte autant que moy, et moy je ne l’ores[6] pas, et c’est ce que je pleure. Es ist eine dame von qualitet, so dießen schonen discours gehalten hatt. …
P. S. Seyder wir von taffel sein, bin ich alß ahn einem fenster gestanden, umb auff die schridtschue[7] zu glitschen sehen; sie haben braffe burtzelbäume gemacht; ich weiß nicht, wie sie sich den halß nicht brechen. … [426]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Dezember 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 424–426
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0438.html
Änderungsstand:
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