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Brief vom 10. Februar 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


442.


[429]
Marly den 10. Februari 1701.
Gestern bin ich mitt E. L. gnädig schreiben vom 31. Januari erfrewt worden, alß ich eben auß der kirch kam undt man mir die stirn mitt aschen beschmiret hatte. Ich sagte, daß ichs nicht von nöhten gehabt hette, indem es nur für die bestimbt seye, so durch ihre divertissementen vergeßen könten im carnaval, daß sie sterblich seyen; weillen ich aber mein carnaval die erste tage zugebracht habe mitt kranck sein undt die letzten mitt die lange weille zu haben, übel gedantzte menuets zu sehen, also hette die lust vom carnaval mich gar nicht verhindert, ahn meine sterblichkeit zu gedencken, hette auch ein miltz, so mich genung undt nur zu viel daran gemandt, aber wegen des brauchs habe ich doch der aschenschmirerey folgen müßen. Das ist etwaß gantz neües, deücht mich, daß ein König sich selber undt hernach seine Königin crönet; ohne kälte könten 12 haranguen mir kopffwehe genung machen, beklage die liebe Königin, so viel außgestanden zu haben. Das best von alles seindt die 10 000 thaller, so man der Königin mehr gibt, das ist solide. Ich finde, daß die Königin magnifiquer ist bedint worden, alß der König, weillen der König nur graffen gehabt, so ihm den schlep getragen, die Königin aber hirin von der fürstin von Holstein ist bedinnet worden, undt ahn taffel auch. … Nun ich wider gesundt bin, kan ich die pfältzische trompetten wider braff hören laßen. Mich deücht, das canonisiren ist eine ohnnöhtige despence, denn seindt die leütte im himmel, glaube ich, daß unßer Herrgott undt sie wenig darnach fragen, ob man ceremonien macht, umb sie vor heyllige zu erklären oder nicht, seindt sie aber in der hölle, können sie nicht vor heyllige passiren, also wie man es auch nehmen mag, so ist das canonisiren gar ein unnöhtiger unkosten. Ich meinte, der Czaar hette mehr courage alß ein anderer, bin sehr verwundert, auß des Allart brieff zu sehen, daß er so gar bernheütterisch[1] davon gangen ist; brutal undt poltron zugleich zu sein, das ist zu viel. Ich hette gemeindt, der Czaar hette auffs wenigst so viel in Hollandt undt Teütschlandt lernen können, zu wißen, daß es eine graußamkeit ist, seine leütte zu köpfen. Ich bin wie E. L.: ich kan den Czaar auch nicht mehr leyden, hilte nur viel auff ihn, weillen ich meinte, daß er ein gutt gemüht hette, aber er muß wie ein wildt thier geworden sein; das geschrey ging vor etliche tagen hir, daß seine schwester[2] ihn hette vergifften laßen undt hette sich selber zur vormünderin ihres neveus erklärt. … Weillen es patte so sehr betrüben mögte, wenn seine gemahlin[3] sterben solte, wünsche ich ihr leben, sonsten were mir auch wenig ahn ihrem todt gelegen. … Mich deücht, Kolb war zu schlegt, einem gesalbten König das salböhl abzuwischen, das hette der Churprintz thun sollen, denn wenn unßer König in [430] der großen meß zur offrande geht, tregt mons. le dauphin die offrande. Unßere liebe neüe Königin[4] hatt zu viel verstandt, umb daß eine solche comedie I. M. nicht solte langweillig vorkommen; ich kan leicht begreiffen, wie daß die liebe Königin lieber hatt schlaffen undt sich außruhen wollen, alß das ordre von oranienfarben bandt[5] außtheyllen sehen. Ich sehe woll viel ohnkosten bey dießem neüen Königreich, wo ist aber der profit undt nutzen? Den sehe ich noch nicht. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Februar 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 429–430
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0442.html
Änderungsstand:
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