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Brief vom 14. April 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


448.


[434]
Versaille den 14. April 1701.
… E. L. seindt mir gar zu gnädig, keine fautten in mich zu finden, aber hirauff könte Monsieur E. L. antworten, wie im Misantrope stehet[1], wenn Acaste sagt: mais les defauts qu’elle a ne frappent point ma veu, undt Alceste antwordt: il[2] frappent tout[3] la mienne et loin de m’en cacher elle sait que j’ay soin de les luy reprocher. Da fehlen I. L. auch gar nicht ahn biß auff mein alter, undt vor ein tag 14 sagte er noch zu mir: vous estes vieille, vous avés pres de 50 ans; ich andtwortete ohne mich zu erzürnen gantz froidement: ouy, Monsieur, il est vray que j’ay ce malheur d’estre pres de 50 ans, mais vous avés celuy d’avoir pres de 12 ans plus que moy. Er schwig maußstill, ging aber zu seinem beichtsvatter undt beschwehrte sich, ich hette ihm rudessen gesagt. In den hollandischen zeittungen stehet außdrücklich, daß das parlement mylord Raby[4] abgefertigt hatt, E. L. nach Hannover die zeittung zu bringen, daß sie nach der printzes von Denemarck zur cron erwehlt sein[5]. Sobaldt ich E. L. werde Königin wißen, will ich von hertzen mein compliment machen, aber waß noch in weittem felt stehet, ist der verenderung zu sehr unterworffen, daß ich mich jetzt schon deßwegen mitt E. L. erfrewen solte. Waß E. L. ahm besten haben, ist, daß sie nicht allein die drey englischen, sondern alle cronen von der gantzen welt meritiren. Ob E. L. zwar mutter von König Wilhelm undt der printzes von Denemarck[6] sein könten, so seindt E. L. doch gott sey danck gesunder, alß sie beyde, können also noch woll lenger leben. Ist es E. L. destein, Königin von Engellandt zu werden, so werden sie es woll wider ihren willen werden. Ich wünsche, daß alles zu E. L. vergnügen außschlagen möge. Ich habe die osterlieder so offt undt lange jahr durch gesungen, daß ich sie unmöglich vergeßen kan; was ich aber [435] gelernet ohne alle jahr zu repetiren habe ich durchauß vergeßen. Emhoff[7] sagt nicht durchauß, daß E. L. herrn söhne sich mitt Dero herrn vattern testament contentiren würden, sondern nur, daß der Keyßer ihnen auff ihr memorial geantwortet hette, sie solten sich ahn Dero herrn vattern testament halten, das mache ihn judiciren, daß sie sich accommodiren würden. Ich kan leicht begreiffen, wie sehr dieße sach E. L. schmertzen muß, ist mir also recht leydt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. April 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 434–435
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0448.html
Änderungsstand:
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