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Brief vom 24. April 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


451.


[437]
Versaille den 24. April 1701.
… So lang das parlement in Engellandt nicht einig ist undt weder den krieg noch frieden resolvirt, kan ich nicht glauben, daß es krieg werden wirdt, jedoch preparirt man sich hir starck dazu. Man fengt ahn, die nachtigallen zu hören; ich laustere[1] alle abendts ahn meine fenster, ob ich keine frösch hören möge, ich habe aber noch keine gehört. Der Churfürst von Braunsweig solte billig seiner herrn brüder schulden zu Wien zahlen, denn dieße höfflichkeit würde sie beyde touchiren undt machen, daß sie sich desto eher in seinen willen ergeben undt würde allen menschen erweißen, daß es nicht auß kargheit ist, daß er sich bißher nicht mitt seinen beyden herrn brüdern verglichen hatt, denn bißher ist die sach ein wenig esquivoque. I. L. der Churfürst passirt vor sparsam zu sein[2]; wenn ichs sagen darff, so hatt oncle s[eelig] unrecht gehabt, seine herrn söhne so unglücklich zu machen, sie dero elstem bruder so gar zu untergeben. So groß recht I. L. der Churfürst auch haben mag, seines herrn vattern testament zu souteniren, so kan [438] er doch kein recht haben, seine leibliche herrn brüder ins ellendt darben zu laßen. Das kan nicht aprobirt werden, undt weillen ihr herr vatter sie seinetwegen unglücklich gemacht, so ist es seine schuldigkeit, ihr unglück zu versüßen undt ihnen nicht hart zu sein; dadurch würden I. L. sich mehr lob erwerben alß so. … Die welt ist so voller chimeren, damitt man sich erfrewet, daß man sich nicht einbilden kan, daß eine aparentz von einer königlichen realitet E. L. nicht erfrewen solte. Ich wolte, daß E. L. schon auff dem thron weren, wolte E. L. gern undt von grundt der seelen eine lange undt breitte E. M. geben, allein es würde mir doch offt bang vor E. L. werden unter die gar wunderliche köpffe, so gleich diejenigen ahnfangen zu haßen (so lieb sie sie auch gleich zuvor gehabt haben), sobaldt sie sie zu Königen gecrönt haben, undt ob E. L. zwar der nation gewont sein, auch mehr verstandt alß jemandes in der welt haben, umb sie zu regiren, so ist doch der Engellander falschheit zu fürchten … Man muß in Engellandt die catholischen ebenso sehr haßen alß man hir die reformirten thut, weillen man E. L. schon gewahrnet hatt, Dero 5 catholische domestiquen abzuschaffen. Ein zeichen, daß es wahr ist, daß ich fro bin, daß ich catholisch bin, umb E. L. die succession nicht zu wehren, so sehen E. L. woll, daß ich meinen sohn nicht protestiren mache, wie der hertzog von Savoyen gethan. Daß mons. Leibenitz eben vers gemacht auff des Königs in Spanien todt[3] wie die, so ich E. L. geschickt, hirauff kan man sagen: les beaux esprits ce[4] rencontrent. Ma tante von Maubisson ist so passionirt vor König Jacob, daß sie meint, daß alles was ihm entgegen ist verdampt seye, denn sie helt ihn vor einen heyligen; mir haben I. L. nur geschrieben, daß sie bang were, daß, wenn E. L. Königin unter die wunderliche englische köpffe werden solten, so allezeit die haßen, so ihre Könige sein, daß E. L. nicht in sicherheit ihres lebens sein würden. Dieße furcht ist raisonabeler alß die, so sie E. L. geschrieben. Ich glaube in der that, daß I. L. der Churfürst zu Braunsweig glücklicher ist, Churfürst zu sein in einem landt, wo I. L. absolutte meister sein, alß in Engellandt, da sie von so vielen köpffen dependiren müßen[5] undt ahn der nation nicht gewont sein; E. L. aber, die die nation kennen, werden sich beßer mitt behelffen können. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. April 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 437–439
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0451.html
Änderungsstand:
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