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Brief vom 26. Juni 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


456.


[003]
Versaille den 26. Juni 1701.
Nach viellen sorgen undt ängsten kein schreiben von E. L. zu entpfangen, bin ich endtlich vorgestern nachts umb 11 mitt 3 E. L. gnädige schreiben erfrewet worden, welches mir die eintzige gutte nacht gegeben, so ich seyder meinem großen unglück gehabt habe, denn der greüliche schrecken, in welchen mich Monsieurs s[eelig] zufall undt so gar schleuniger todt gesetzt, hatt eine solche starcke impression bey mir gethan, daß, sobaldt ich einschlaffen will, kompt mir diß spectacle wider vor den augen undt fahre abscheülich in mein bett auff, kan keine 2 stundt nach einander schlaffen. Allein die freüde, E. L. gnädige schreiben entpfangen zu haben undt zu sehen, daß sie Gott sey danck woll auff sein undt mir noch immer gnädig, hatt mir eine solche ruhe verursachet, daß ich von 1 biß 6 morgendts geschlaffen habe. Ich hatte es auch woll von nöhten, umb mir ein wenig kräfften zu geben, den gesterigen tag außzustehen. Ich habe den König undt die Königin in Engellandt in ceremonien entpfangen müßen mitt einer dollen tracht: ein weiß leinen stirnbandt, darüber eine cappe, so unter dem halß zugebunden wirdt, über die cappe eine cornette, über die cornette ein leinen tuch wie ein voille, so auff beyde axellen ahngehefft wirdt wie ein floren mantel undt schlept 7 ehlen lang; ahm leib hatt ich einen langen schwartz tuchenden rock mitt langen ermellen biß auff die faust, zwey handt breit hoch herminen auff den ermellen, undt vom halß ahn biß auff die erden herminen von gleicher breitte wie auff den ermellen, einen von schwartz crepon gürtel, so biß auff die erden vorn geht, undt ein schweiff ahm herminen rock auch von 7 ehlen lang. In dießem auffzug hatt man mich in eine gantz schwartze [004] cammer, auch das parquet bedeckt undt die fenster überhenckt, in ein schwartz bett gelegt, den schweiff überall überdeckt, daß man die herminen gesehen. Ein großer leüchter mitt 12 brenente lichter waren in der cammer ahngezündt, undt 10 oder 12 auff dem camin; alle meine bedinten groß undt klein in langen trawermänteln, ein stück 40 oder 50 damens in flormäntelen. Das alles sahe sehr abscheülich auß. … Die hertzogin von Zelle[1] muß einen wunderlichen humor haben, aber wenn sie die extreme onction so gern hatt, so mag sie nur her nach Paris kommen, wenn sie sterben will, denn der cardinal de Noaille[2], so ertzbischoff von Paris ist, lest niemandes mehr, so kranck ist, comuniciren ohne die extreme onction daneben zu geben…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Juni 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 3–4
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0456.html
Änderungsstand:
Tintenfass