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Versaille den 30. Juni 1701.
… E. L. wißen nun schon, daß der König sorg vor mir will haben;
Monsieur hatt 7 millionen undt eine halbe schulden hinterlaßen; reich werde
ich woll nie sein, Gott gebe nur, daß ich außkommen kan. Der König hatt
einem conseillier d’estat nahmens mons. de Pomereu
[1], einem gar ehrlichen
mann, befohlen, sich meiner sachen ahnzunehmen undt alles in richtigkeit zu
bringen; es gehört aber zeit dazu, aber so viel man jetzt davon urtheilen
kan, so wirdt es schlecht herauß kommen, wenn Königs gnade nicht zu hülff
kompt. Ich glaube, daß es mir vortheilhafftiger geweßen were, selber
gestorben zu sein, alß was mir widerfahren. Monsieur hatt den todt woll
gefühlt, zwölff stundt lang hatt man I. L. gar ohnnöhtig martirisirt mitt
emetique, aderlaßen, schröpffen, gouttes d’Engleterre, eau de Chaffhausen
undt hunderley sachen, allerhandt clistiren. Er hatt den verstandt nur ein
augenblick vor seinem todt verlohren, kante jederman, könte aber mitt großer
mühe reden, denn die unterlefftz war I. L. s[eelig] gantz abgefahlen undt
geschwollen. Vorher, ehe I. L. in diß unglücklich accident fiehlen, waren
sie frisch gesundt undt lustig, aßen ahn taffel mitt großen apetit, lachten undt
schwetzten; drumb, wie er ahnfing zu lallen, meinten die damens ahnfangs,
es were vexirerey, war aber leyder nur gar zu großer ernst. Wenn man
in jener welt wißen könte, was in dießer vorgeht, glaube ich, daß I. L.
Monsieur s[eelig] sehr content von mir würden sein, denn in den kisten habe ich
alle brieffe, so die buben ihm geschrieben, auffgesucht undt ungeleßen
verbrent, damitt es nicht in andere handt kommen mögte…