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Brief vom 21. Juli 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


460.


[007]
Versaille den 21. Julli 1701.
… Mad. de Maintenon continuirt, gar freündtlich zu sein, bin sehr content von ihr; continuirt sie, wie sie nun thut, so werde ich gewiß ihre freündin bleiben, undt ich bin in keinem alter, daß mir die zeit lang bey ihr undt dem König fallen könte, wie der duchesse de Bourgogne, die nur ahn singen undt springen dencken kan… Ich grübele mir schir das hirn auß, umb zu errahten, woher es kompt, daß die Maintenon sich einsmahls so zu mir gewendt hatt, denn es ist gewiß, daß kurtz vor meines herrn todt sie noch einen abscheülichen haß gegen mir getragen, undt auff einen stutz endert sie, ohne daß ich ahn sie gedencke. Aber wie ich gesehen, daß sie sich zu mir gewendt, habe ich die sach nicht negligirt, sondern gleich freündtschafft mitt ihr gemacht. Je mehr ich aber nachdencke, was sie hirzu gebracht hatt, je weniger kan ichs finden, denn eine sach ist gewiß: daß diß weib nichts thut ohne nachdencken, noch umbsonst. Etlichmahl bilde ich mir ein, weillen sie so eine große passion vor die duchesse de Bourgogne[1] undt dieße, wie das geschrey geht, ihrer sehr müde geworden undt nicht mehr bey dem König dawern kan, weillen ihr bey dießen betagten leütten die zeit zu lang felt, daß die dame mich gewehlt, umb der duchesse de Bourgogne jalousie zu geben, denn sie ist von einem jalousen humor, undt sie dadurch wider zu sich zu ziehen, oder ob sie gefürcht, daß, weillen Monsieur mir nun keine böße officien bey dem König thun kan, daß sich der König wider ahn mich gewohnen könte, undt daß, wenn sie meine freündin nicht were, ich capabel sein solte, dem König die Augen zu öffnen, sie derowegen lieber selber meine freündin vorher werden, mich also im zaum zu halten, oder ob sie sonsten ein ander absehen hatt undt meint, mich eher fällen zu können, wenn sie [008] mich beßer in den klauen haben kan, oder was es sein mag, denn es ist gar gewiß, daß etwaß dahinter stecken muß, denn es ist nicht natürlich, daß ein mensch in einer stundt endert, wie sie gethan hatt. Also muß ich alß in acht nehmen, was ich thue undt rede, undt kan auff nichts sicheres bawen. Mein sohn flatirt mich sehr undt hatt ein gutt gemühte, allein er grüst auch den zaun umb den garten[2], denn er ist verliebt jetzt von einer von meinen freüllen, so Sery[3] heist, undt förcht, ich möchte sie weg thun, drumb thut er mir so schön. Wie es noch mitt meinen affairen gehen wirdt, weiß ich nicht, aber es ist gewiß, daß ich schlegt versorgt werde sein, ja gar nicht nach meines standts gemäß werde leben können, wo der König mir nicht hilfft, denn es fehlt 80 taußendt francken, daß mein hauß nicht bezahlt kan werden. Also sehen E. L. woll, daß ich nie ein ahngenehmes leben werde führen können. Der arme Monsieur s[eelig] hatt übel gehaust undt gar nicht vor mich gesorgt, denn er hette es woll in seinem leben thun können, aber nicht im testament; er hatt es aber lieber unter seine buben außgetheilt, so ihn doch nicht so lieb hatten, alß ich. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Juli 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 7–8
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0460.html
Änderungsstand:
Tintenfass