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Brief vom 28. Juli 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


462.


[009]
Marly den 28. Julli 1701.
Seyder vergangen Sontag abendts bin ich hir; wurde gleich gar gnädig vom König entpfangen, denn I. M. kamen mir entgegen, führten mich hernach spatziren. Seyder ich nicht hir zu Marly geweßen, hatt der König viel schöne neüe sachen hir machen laßen: ein neü mail[1], so gantz im schatten ist, man könte den hellen mittag dort spiellen ohne die sonne zu fühlen. Wir sahen dortten eine partie spiellen; mein sohn mitt dem printz de Conti[2] undt mons. de Briene[3] gegen mons. le duc de Sully[4] undt mons. de Liancour[5], mons. le comte[6] undt mons. de Vandosme[7] spielten allein gegen einander. Nach dem mail wieße mir der König ein neü gantz vergült cabinet, in der form wie man den thron vom König de la Chine mahlt. Darnach thaten wir den tour vom garten undt stiegen ein klein bergen ’nauff, umb die neüe cascade zu sehen, welche gar schön ist, eine [010] gantz neüe art: sie hatt auch drey reygen, gantz oben ist eine große fontaine, so gar ein grand bouillon d’eau[8] außwirfft (ich habe diß nicht auff teütsch sagen können), hernach sein köpff wie meerwunder, so eine unerhörte menge waßer außspeyen, wovon sich die cascade formirt; in der mitten bey jeder stege ist ein jet d’eau[9], so nicht hoch ist; auff denen von beyden seytten seindt oben kinder von bronce, so mitt einem meerwunder spillen, das auch waßer außwirfft. In distancen seindt bouillons d’eau, daß es eben scheindt, alß wenns natürliche quellen weren, so dort außsprungen undt die cascaden formirten; in der mitten ist lautter gazen[10]; wo man die cascade sicht, da seindt 5 alléen, in jede sicht man große jets d’eau, undt wo keine jets d’eau sein, da seindt antique statuen, recht schön. Wolte Gott, E. L. könten diß alles sehen. … Gar lustig kan ich ohnmöglich sein, aber ich thue meinen möglichen fleiß, nicht gantz melancolisch zu sein. Churpfaltz will mir kein gelt mehr geben, das dimunirt mein einkommen noch von 2 mahl 100 000 francken. Es wirdt schlegt bey mir hergehen, denn zu glauben, daß der König in jetziger kriegszeit so gar große summen geben solte, das ist schwer zu glauben. Wolte Gott, man hette mich viel zu fragen undt ich hette viel, würde in dießem fall die fragen gar nicht importun finden. Es würde mir viel ahngenehmer geweßen sein, wenn ich ohne den König genung gehabt hette zu leben, denn alßdan würde ich dem König nicht à charge geweßen sein, undt hette er mir sonsten gnaden undt presenten geben, würde ichs mitt lust haben ahnwenden können, aber wie es nun ist, bin ich leyder wie ein bettelfraw dem König auff dem halß; das ist recht betrübt. … Ich fragte einsmahls ahn herr Salmond, wie es käme, daß in der heylligen schrifft stehet, daß die menschen nach Gottes ebenbildt geschaffen sein[11] undt die menschen doch so gar unperfect weren? Er andtworte, daß Gott den menschen perfect geschaffen hette, aber daß er die perfection in seinem fall verlohren hette. Ich sagte: weill der mensch denn so perfect war, wie hatt er fehlen undt fallen können? Herr Salmond sagte: das ist durch ahnstifftung des satans geschehen. Ich sagte: dem teüffel glauben war doch keine perfection. Da sagte er nur: solche sachen muß man nicht zu weit nachgrübellen; dabey bliebe es…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Juli 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 9–10
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0462.html
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