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Brief vom 8. Oktober 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


474.


[019]
Fontainebleau den 8. October 1701.
… E. L. können nicht glauben, wie alber man zu Paris ist; in genien undt teüffelswerck wollen alle hexenmeister werden undt werden nur narren. E. L. sagen gar recht, der luxe undt interesse, umb gelt zu haben, bringt zu allen dießen dorheitten. Es ist wahr, daß ich vor dießem gern bey den leütten war, diß landt hir aber hatt mirs verleydt, leütte zu sehen, undt viel zu reden kompt einem zu thewer hir ahn, undt wenn man mitt schaden weiß worden, wirdt man hernach scheü. … Nun aber will ich E. L. die revolte von Naple[1] verzehlen: Der viceroy[2] wolte spatziren fahren undt ahn damens eine fontaine weißen, so außer der statt war; bekam morgendts ein billet, worinen man ihn batte, selbigen tag nicht auß der statt zu fahren. Der viceroy meinte, es weren nur possen oder sonsten ein pronostic, lachte nur drüber undt contremandirte nichts. Eine stundt ehe er wegfahren solte, bekame er wider ein billet, darinen stundt clar, daß, wo er den tag außfahren würde, so würde er ohnfehlbar assassinirt werden, denn es were eine conspiration, so auff ihn paßte. Alß er sah, daß die sach so ernstlich war, ließ er in eyll alle soldaten zusammen samblen, so er finden [020] konte, schickte sie ahn den ort, wo er solte spatziren fahren, mitt ordre, alle die zu arestiren, so sie bekommen könten. Es wurden gleich 2 kerl gefangen, die waren von des viceroy leibguarde, die bekanten gleich, daß ihrer 4 weren bestochen worden von 2 große herrn von dem landt, einem Grimaldy undt ein Spinola, umb den viceroy zu assassiniren, hetten auch zwey magistraten[3] vom peupel gewonnen, so allerhandt peupel undt banditten zu sich gezogen. Dieße, alß sie sahen, daß die sach esclattirt war, rieffen sie in den gaßen: vive l’empereur et le Roy des Romains! Alle kauffleütte undt reiche bürger schloßen gleich ihre kauffläden undt heüßer zu; das peupelvolck aber folgte dem Grimaldi undt Spinola biß in ein alt schloß undt retirirten sich dort ’nein mitt brattspießen, hacken undt was sie in der eylle zusammen haben bringen können undt haben dem Grimaldi gefolgt biß in das alt schloß, in willens, sich braff dort zu wehren. Der viceroy aber hatt stück vor das schloß führen laßen undt sie braff cannonirt; da haben sie sich ergeben. Der Spinola hatt sich salvirt undt ist durchgangen, der Grimaldi aber ist gefangen worden; die zwey magistratten[4] hatt man gleich gehengt. So ist die revolte gestilt worden. Der König hatt gesagt, daß man des viceroy leütten das uhrtheil gesprochen hette, geviertelt zu werden, der viceroy hatt ihnen aber gnade geben. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. Oktober 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 19–20
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0474.html
Änderungsstand:
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