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Brief vom 1. Januar 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


484.


[026]
Versaille den 1. Januari 1702.
Das erste wort, so ich in dießem jahr schreiben will, soll gar gewiß nur sein, E. L. ein glückseeliges, friedt- undt freudenreiches neues jahr zu wünschen, sambt vollkommener gesundtheit, undt in einem wordt alles was E. L. selber wünschen undt begehren mögen. Ich habe diß jahr gar glücklich ahngefangen, Gott weiß, wie ich es enden mag; denn sobaldt ich auß der [027] kirch kommen, bin ich mitt E. L. gnädiges schreiben vom 23. Dec. erfrewet worden, undt sobaldt ich nach dem eßen in mein cammer kommen, hatt mir der König 2000 pistollen geschickt, bin also diß jahr 1000 pistollen reicher alß vorm jahr. Da sehen E. L., wie woll ich mein jahr ahngefangen, bin darneben in volkommener gesundtheit Gott sey danck, welches auch noch ein groß glück ist. Es ist leicht zu glauben, daß es keine eloquens bedarff, umb mad. de Montespan über ihren mann zu trösten. Man thut ihr unrecht, zu sagen, daß sie jetzt seüfft, das hatt sie ihren fraw döchtern überlaßen, die es braff können. Sie führt ein traweriges leben, wolte gern devot sein undt kan nicht; reist immer von einem ort zum andern. Sie ist nun eine witwe, aber keine glatte witwe, indem sie sowoll alß ich sehr verruntzelt ist. Es ist woll wahr, daß die jahren, so mad. de Montespan mitt dem König genoßen, sehr different von dieße waren. Von bößen humor ist der König nicht undt ich admirire I. M. offt, wie sie bey allen den geschäfften, undt offt sehr verdrießlichen geschäfften, noch so höfflich undt von gutten humor sein können. … Man sagt, daß abendts bey mad. de Maintenon ein erschrecklich geraß ist, denn man spilt sehr dort, die gantze jugendt von damen ist dort, wie auch die duchesse de Bourgogne, duc de Bourgogne undt Bery. Der printz von Anhalt[1] muß meinen, daß, wie er sich vor die Königin in Preussen gewießen, kriegerisch außsehe undt daß die Königin derowegen woll von sein courage judiciren wirdt. Hatt er die apoteckers dochter geheüraht, wirdt er woll thun, sein gantzes leben seinen heüraht heimblich zu halten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Januar 1702 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 26–27
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0484.html
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