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Brief vom 19. Februar 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


490.


[033]
Versaille den 19. Februari 1702.
… Ich meinte, graff von Warttenberg regirte den König absolute mitt seine fraw, undt nicht der graff undt die gräffin von Donna[1], wie E. L. nun belieben zu sagen. Es ist ein unglück vor den Berlinischen hoff, daß die Königin sich nichts ahnnimbt, denn alles würde gerechter hergehen alß nun, wenn I. M. sich drinnen mischten; aber vor Dero person ist es viel gemächlicher, sich in nichts zu mischen, alß was Dero divertissement betrifft. Es würde gesunder vor I. M. sein, braff zu tantzen, alß bassette zu spillen, denn das würde die liebe Königin verhindern, fetter zu werden; allein wenn man so dick wirdt, so wirdt man auch faull, ich weiß es durch mein eygen experientz, denn es gibt mühe, sich starck zu regen undt der ahtem fehlt einem; wenn ich nur eine stige ’nauff gehe, muß ich unerhört schnauffen… Es ist nicht zu beschreiben noch zu zehlen, wie viel lieder auff den armen marechal de Villeroy[2] gemacht werden. Heütte hatt man mir noch ein gantz nagelneües gewießen, welches ich E. L. hirher setzen werde, ist auff die melodey von dem alten liedt: savés vous bien la difference qu’il y a de son Eminance à feu mons. le cardinal:
Plus intrepide qu’Alexandre
Villeroy part pour nous deffendre
Et pour redresser Cattinat.
Qu’a-t-il fait vous l’allés aprendre:
A Chiary il a prist un rat,
A Cremone il s’est laisser prendre
.
Es wirdt das groste glück von der welt vor unßere raugräffliche freülein sein, daß E. L. sie bey sich behalten. Wenn die E. L. nicht trew weren, so könte es ja niemandes sein, denn alles biß auff ihr eygen geblüdt engagirt sie hirzu, undt finde sie sehr glücklich, daß E. L. sie bey sich behalten wollen, undt wolte auff dieße condition mein standt woll mitt ihnen tauschen. Ich glaube, man wirdt nun baldt von moden hir endern; die Königin in Spanien[3] hatt ihrer fraw schwester, der duchesse de Bourgogne[4], ein spanisch kleydt geschickt undt auch die coeffure dabey, welches jederman gar artig findt. Das kleydt ist von couleur de cerisen attlas mitt lautter silberne kleine undt große spitzen; das leybstück ist geschnitten wie der kleinen kinder röck, [034] bedeckt die axellen undt macht eine viereckte brust; die ärmel seindt enge biß über den ellenbogen, darauß kommen lange spitzen schir wie die comedianten dragen, undt in den spitzen von silber seindt andere von point de Venise. Das leybstück ist wie ein recht leybstück hinten geschnürt; im unterrock seindt eyßerne reiffen, unten gar weitt undt im herauffgehen enger, das macht die taille gar schmahl außsehen. Dießer unterrock ist sonsten wie die jupe à la Psiche waren, mitt fliegenden spitzen 4 rang im rundt eines übers ander. Der oberrock ist troussirt wie alle oberröck, hatt eine runde schlep, nicht gar lang. Die coeffure seindt gefrißirte haar, wie man vor dießem hir getragen, gehen nicht weitter biß ahns ohr, undt die überige lange haar seindt frisirt undt hencken auff den rucken. Auff dem kopff ist ein klein mützgen von spitzen gantz voller schlüpff[5] von breydt bandt bedeckt. Es steht der duchesse de Bourgogne recht woll; die coeffure macht viel jünger scheinen alß die frantzösche mode…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Februar 1702 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 33–34
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0490.html
Änderungsstand:
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