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Versaille den 9. Mertz 1702.
… Daß man curieux ist, der feinde brieffe zu sehen oder wo
staadtssachen in stehen, wundert mich nicht, aber daß man itzunder, da man so viel
sachen im kopff muß haben, man noch curiositet haben kan, was nahe
verwanten wie wir einander sagen können, welches doch den affairen d’estat
gantz undt gar nicht ahngeht, undt einen dadurch verhindern, sein hertz zu
öffnen ahn die, so man ahm liebsten in der welt hatt, das kan mich recht
verdrießen, denn das machte auch, daß man ebenso albern sprechen muß, alß
wenn man cercle hilt; aber E. L. sehen ja woll, daß es nicht anderst
möglich ist. … Ich glaube, der König in Poln
[1] lest den père Vota
[2] auch
immerhin reden undt sagt ihm wenig, was er thut oder denckt. Ich kan
mich nicht genung verwundern, daß der graff von Warttenberg favorit ist,
denn mich deücht, er hatt kein genie superieur noch ahngenehme maniren
ahn sich. Ich kan nicht begreiffen, wo er des Königs in Preussen gnaden
so sehr gewohnen hatt. Die Königin in Preussen hatt taußendtmahl mehr
verstandt alß dießer favorit; alles würde beßer gehen, wenn I. M. regiren
solten, wie billig were; aber sie haben groß recht, sich in nichts mischen zu
wollen, weillen solches I. M. mehr ruhe gibt. Ich glaube, der graff von
Warttenberg wirdt ein schlim endt nehmen, denn es ist impertinent von
ihm, daß er sicht, daß der Königin etwaß gefallen kan, undt dargegen ist.
Hoffart kompt gemeiniglich vor den fall. Weillen aber der graff von
Wittgenstein keine gutte mittel hatt, muß man sichs getrösten; hatt der
Warttenberg vielleicht eine dochter, so er ihm geben wolte
[3]?.
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