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Brief vom 9. März 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


492.


[035]
Versaille den 9. Mertz 1702.
… Daß man curieux ist, der feinde brieffe zu sehen oder wo staadtssachen in stehen, wundert mich nicht, aber daß man itzunder, da man so viel sachen im kopff muß haben, man noch curiositet haben kan, was nahe verwanten wie wir einander sagen können, welches doch den affairen d’estat gantz undt gar nicht ahngeht, undt einen dadurch verhindern, sein hertz zu öffnen ahn die, so man ahm liebsten in der welt hatt, das kan mich recht verdrießen, denn das machte auch, daß man ebenso albern sprechen muß, alß wenn man cercle hilt; aber E. L. sehen ja woll, daß es nicht anderst möglich ist. … Ich glaube, der König in Poln[1] lest den père Vota[2] auch immerhin reden undt sagt ihm wenig, was er thut oder denckt. Ich kan mich nicht genung verwundern, daß der graff von Warttenberg favorit ist, denn mich deücht, er hatt kein genie superieur noch ahngenehme maniren ahn sich. Ich kan nicht begreiffen, wo er des Königs in Preussen gnaden so sehr gewohnen hatt. Die Königin in Preussen hatt taußendtmahl mehr verstandt alß dießer favorit; alles würde beßer gehen, wenn I. M. regiren solten, wie billig were; aber sie haben groß recht, sich in nichts mischen zu wollen, weillen solches I. M. mehr ruhe gibt. Ich glaube, der graff von Warttenberg wirdt ein schlim endt nehmen, denn es ist impertinent von ihm, daß er sicht, daß der Königin etwaß gefallen kan, undt dargegen ist. Hoffart kompt gemeiniglich vor den fall. Weillen aber der graff von Wittgenstein keine gutte mittel hatt, muß man sichs getrösten; hatt der Warttenberg vielleicht eine dochter, so er ihm geben wolte[3]?. [036]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. März 1702 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 35–36
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0492.html
Änderungsstand:
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