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Brief vom 23. März 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


495.


[037]
Versaille den 23. Mertz 1702.
… Gestern kam mir ein vorwitz ahn, mons. Moreau, des ersten cammerdinners von mons. le duc de Bourgogne, sein apartement zu sehen, so er adjustirt hatt undt wovon ich viel gehört. Ich ging hin ahnstatt in die predigt zu gehen. Es ist klein, aber recht propre undt curieux. Er hatt 4 cämmerger mitt contrefaitten undt gemähls, erstlich große gemähls, so recht schön sein, von Poussin[1]; der König hatt keine schönnere, 3 große: zwey von der historie von Phocions todt undt wie seine asche gesamblet wirdt, darnach ein Moses, so die egiptische Königstochter auß dem waßer ziehen lest, ein Carache[2], ein Migniard[3], van Deick[4], Bassan[5] undt noch [038] von zwey mahler, deren nahmen ich vergeßen; haben alle vergulten undt façonirte rahmen, undt umb die große gemähls herumb seindt kleine, alle von einer größe, alle Könige von Franckreich von François premier ahn biß auff unßern König, undt unter jeden König seindt was große männer geweßen sein zu ihren zeitten, sowoll in krieg alß gelehrte; er hatt die contrefaitten von allen poetten zu der zeit biß jetzt; Malherbe[6] hatt einen abscheülichen bart; alle der Könige ihre maistressen hatt er, auch alle Königinen seyder der zeit; ein cabinet a part vor unßere zeitten, worinen mad. de Montespan[7], mad. la Valliere[8], mad. de Fontange[9], mad. de Ludre[10], er hatt auch mad. de Maintenon, wie eine heylige gekleydt, undt hatt auch das gantze Königliche hauß; er hatt die, so schlagten gewunnen, nach der reye gesetzt, alß mons. le prince[11], duc d’Harcourt[12], mons. de Touraine[13] undt mons. de Louxembourg[14]. Unter dem cardinal de Richelieu hatt er alle die gesetzt, so er hatt umbbringen laßen, alß mons. de Momorency[15], marechal Dancre[16], mons. de Cinqmare[17] undt marechal de Marillac[18], wie auch mons. de Bassompiere[19]. Unter Henry III. stehen alle die Guissarts[20] undt alles was zur zeit der ligue figur gemacht hatt. Es würde zu lang wehren, wenn ich E. L. alles verzehlen solte, was ich dort gesehen. Er hatt auch schönne undt thewere porcellenen undt figuren von bronce; er hatt auch mons. le Brun[21], Mignart[22], mr. le Nostre[23], auch Racine, Corneille, Lafontaine, auch alle die Jansenisten; auch mad. Gion[24], ich wolte, er solte sie zwischen mr. de Cambray[25] undt mr. de Meaux[26] setzen; er sagte, er hette woll dran gedacht, hette es aber nicht thun dörffen; er hatt auch Rablais[27], so recht poßirlich außsicht. Ich bin eine gantze stunde dar geblieben, umb alles zu betrachten. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. März 1702 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 37–38
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0495.html
Änderungsstand:
Tintenfass