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Versaille den 23. Julli 1702.
Ich bin fro, daß meines bruder gemahlin
[1] nicht bigot ist mitt ihrer
devotion; wie E. L. sie mir beschrieben, finde ich sie recht raisonable. Ich
bin gantz E. L. meinung: die grösten geselschafften sindt selten die
ahngenehmbsten, sondern nur die, da man offenhertzig mitt reden kan undt welche
daßelbe vertrawen zu unß haben alß wir zu ihnen… Ich weiß bey mir
selber, daß man gern widersicht was man in seiner jugendt gesehen hatt,
denn das macht einen ahn die ahngenehmste undt beste zeit seines lebens
gedencken. Die Holländer verstehen die proprekeit mehr alß niemandes in
der welt, das ist in Franckreich nicht. Ahn eine schmutzige sach kan ich mich
hir ahn hoff nicht gewehnen, nehmblich daß alle leütte in den gallerien vor
unßern cammern in alle winckel p… undt daß man nicht auß seinem
apartement gehen kan ohne jemandes p… sehen. Das solte man eher
abschaffen, alß die commedien undt operaen… Mons. Klencke muß ein
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recht gutt gemühte haben, seinen freündt, den armen raugraffen so beweindt
zu haben, wie er ihn zur begräbnuß begleydt hatt
[2]. Die liebe vom
Churfürsten von Bayern
[3] vor seine gemahlin
[4] kan nicht so gar groß sein, weyllen
I. L. ja die jetzige mad
e Darco
[5] alß maistresse neben der Churfürstin
gehalten, ist auch sehr verliebt von der Manpain
[6] geweßen. Mitt solchen trost
kan dießer Churfürst nicht vor leydt sterben… Von den arméen hatt man
gar nichts neües alß daß sich mons. de Melac noch braff zu Landau wehrt
undt daß dießer ort ohnahngesehen der presentz des römischen Königs
[7]
noch gar fest helt. Die Teütschen müßen die belagerungen nicht recht verstehen;
wenn unßer König einen ort belägert, bekompt ers viel eher ein…