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Versaille den 19. November 1702.
… Gestern abendts hatten wir commedie: Penelope
[1] undt le
double veuffage
[2]; sie spilten recht woll; das double veuffage ist woll ein
närisch stück, macht aber lachen. Vorgestern sahe ich das neüe opera; I. L.
die großhertzogin
[3] war mitt mir in opera; es seindt schöne sachen drin,
aber es kompt nicht bey denen von Lully… Ich meinte, der König in
Preussen hette nur zwey herrn brüder
[4], alß nehmblich margraff Albert undt
margraff Philip, von margraff Christian Ludwig hatte ich nie nichts
gehört. Hatt ihn seine fraw mutter
[5] die tauffnahmen geben, umb sich ihres
ersten herrn
[6] zu erinern? Mich deücht, es war doch bey I. L. keine
ahngenehme erinerung, denn ich erinere mich noch woll, daß ich I. L. zu Zelle
offt bey E. L. habe klagen undt weinen sehen. Man hatt hir überal
gesagt, daß der Keyßer Churbayern ahngebotten, König in Böhmen zu machen,
wofern I. L. der Könige parthey verlaßen undt sich zu den Keyßerlichen
schlagen wolle. Der König kan woll nicht glauben, daß die commedie eine
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große sündt ist, aber er meint, man könne nicht devot sein undt in die
commedie gehen. Wie E. L. den abt Molanus
[7] beschreiben, so scheindts, daß
er nicht scrupuleus ist. Was mich lust zu den romanen gibt, ist, daß mehr
warheitten drinen sein, alß in den historien, denn in dießen will man
allezeit, daß alle evenementen große undt politische ursachen haben, da kein
wort wahr an ist, sondern die grösten sachen kommen offt von den grösten
bagatellen; zum exempel: man attribuirt den krieg, so vor 30 jahren war,
ahn unßers Königs ambition, undt ich weiß gar gewiß, daß er nur kommen
ist, weillen der printz Wilhelm von Fürstenberg, itziger cardinal, verliebt
von mons. de Lionne
[8] fraw war undt dem minister hörner auffsetzte,
welcher, umb sich zu rechen, ihm alle die handel ahnmachte, so man hir
souteniren muste…