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Brief vom 21. Januar 1703

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


517.


[056]
Versaille den 21. Januari 1703.
… Der pfarer[1], den die raugräffliche freüllen E. L. geschickt, ist vielleicht pfarer zu Heydelberg geweßen, weillen seine fraw eine Pfältzerin ist; [057] mons. Rodius gemandt mich ohne vergleichen ahn mons. Vadius[2] dans les fames savantes, der würde mir immer dabey einfahlen. Ob schon wünschen zu nichts leyder hilfft, so erweist es doch den gutten willen, welcher doch tröstlich ist. Zu meiner zeit spilten die paucken undt trompetten den neüjahrstag alß in dulci jubillo o o. Ich habe ein hündtgen, so Titi heist, der wischt mir auch alle tag auß was ich schreibe, denn er ist gar freündtlich; wenn man dieße gutte leütte[3] recht kendt, kan man nicht laßen, sie lieb zu haben, denn es ist nie keine falschheit bey ihnen, ihre freündtschafft ist sicher undt auffrichtig undt trew; in gantz Franckreich habe ich keine beßere race gefunden alß dieße, drumb habe ich sie auch so lieb[4]. Weillen E. L. zum h. abendtmahl gangen, werden sie gewiß nach der predigt undt indem man zum abendtmahl geht gesungen haben: Nun freüdt euch, lieben christen gemein undt last unß fröllig singen[5], daß wir getrost undt all in ein mitt lust undt liebe springen[6], waß er[7] ahn unß erwißen[8] hatt durch seine große wunderthat, gar thewer hatt ers erworben, undt vor der predigt haben E. L. vielleicht den 23 psalm gesungen: Mein hütter undt mein hirt ist Gott der herr, drumb fürcht ich nicht, daß mir etwaß gewehr etc. Zu Heydelberg in der h. Geistkirch war ich auch offt occupirt, die gänge undt reverentzen zu sehen, so die, so zum h. abendtmahl gingen, thäten. Ich habe mein leben kein böß kindtbett gehabt, allein es ist leicht zu begreiffen, daß man in was klein auß dem leib geht, weniger schmertzen muß haben alß was groß ist. Es ist lengst, daß ich vor solch ungemach sicher bin, undt nach meiner dochter kindtbett[9] habe ich kein gefahr dazu außgestanden, denn Monsieur hatt gar baldt hernach lit à part gemacht, undt der handel gefiel mir nicht genung, Monsieur s[eelig] zu bitten, wider in mein bett zu kommen. Wenn I. L. in mein bett schlieffen, muste ich so auff dem bordt liegen, daß ich etlichmahl im schlaff auß dem bett gefahlen bin, denn I. L. konten nicht leyden, daß man ihn ahnrührte, undt wenns mir ungefehr im schlaff geschach, daß ich ein fuß außstreckte undt ihn ahnrührte, so machte er mich wacker undt filtzte mich eine halbe stundt; ich war also hertzlich fro, wie I. L. von sich selber die parthie nahmen, in dero kammer zu schlaffen undt mich ruhig in mein bett liegen zu laßen, ohne forcht, nachts gefiltzt zu werden oder auß dem bett zu fallen[10][058]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Januar 1703 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 56–58
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0517.html
Änderungsstand:
Tintenfass