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Brief vom 1. Februar 1703

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


518.


[058]
Versaille den 1. Februari 1703.
… Man sagt zu Paris, E. L. enckel, der Churprintz[1], werde die zweyte princes von Schweden[2] heürahten; das wirdt met verlöff den maußdreck[3] wider zu ehren bringen undt das hauß wider von der boßen alliance[4] ersetzen. Der peuple hir ist noch sehr aberglaubisch, die devotten stellen sich alß wenn sie es weren, undt seindt es nicht, die andern schweygen still davon. Die Königin in Engellandt stelt sich sehr alß wenn sie es were, ich finde I. M. aber so raisonable in andern sachen, daß ich nicht glauben kan, daß sie alles glaubt was sie vorgiebt. Was man vor eine schriefft vor unßere Königin in Engellandt nach Lorette[5] geschickt, soll gar etwaß wunderliches sein, soll schir auff wüsterey außlauffen. Es soll ein unerhörter großer reichthum zu Lorette sein. Ich sehe aber nicht, wozu das gutt ist, denn die Marie, unßers herr Christus mutter, hatt ja im himmel nichts von nöhten, hatt auch gar den reichtum in dießer welt woll entbehren können, denn sie hatt arm gelebt undt ist arm gestorben, undt warumb will man denn, daß sie in jenner welt, wo sie kein reichthum mehr von nöhten hatt, interessirt solle geworden sein undt nichts ohne presenten thun? Das kost den großen herrn viel undt ist eine unnöhtige sache, also in meinem sinn übel erdacht. Der schlag regirt überall, wie ich sehe, weillen der envoyé von Engellandt, mons. Cresset[6], es auch bekommen; seine fraw[7] muß eine Frantzoßin sein, weillen sie der hertzogin von Zell verwandt ist… Nichts in der welt kan mich mehr erfrewen, alß E. L. gnädige schreiben; was sollen E. L. mir sagen, alß was taglich vorgeht; die philosophie verstehe ich nicht, die theologie noch weniger, stahtssachen da weiß ich eben so wenig von; E. L. müßen sich also woll nach meiner schwachheit conformiren undt nur sagen [059] was ich wißen undt verstehen kan. Also umb Gottes willen E. L. verschonen mich mitt den discursen, denn sonsten dörfft ich E. L. nicht mehr schreiben undt müste in forchten stehen, daß E. L. auch sagen mögte: die albere Lisselotte: was lappereyen undt langweillige sachen plaudert sie mir daher, sie thete beßer zu schweygen… Ich hoffe nicht, daß der graff von der Lippe[8] einer von denen ist, so lange hir geweßen undt welche meine vettern sein, so so gar närisch geworden. Ich kan nicht begreiffen, wie eine solche religion ahnstecken kan, denn mich deücht, man sicht gleich ahn der leütte maniren, daß sie narren sein, undt wenn man persuadirt ist, daß die leütte närisch sein, so gibt ihre rede ja keinen nachdruck. Doch habe ich lachen müßen über dieße avanture, welche den damen greüliche ängsten eingejagt muß haben undt ihr vorwitz thewer bezahlt. Stöß hetten die pietisten woll ein wenig verdint, so auff E. L. cavaliers loßgegangen zu sein. E. L. hatten nicht gesagt, daß der graff von Leiningen geheüraht seye, muß aber doch eine gemahlin haben, weillen sie in dießer bataille verwundt worden. Es war ein bößer geist, der dem Hoffmann[9] eingegeben, so zu schlagen, indem sie drüber eingebüst haben; das solte sie corigiren, macht sie aber noch närischer, wie ich sehe. Mich deücht aber, daß in der heyligen schrifft nur der böße geist schlegt undt nicht der gutte, denn wie der heillige geist von Saul gewichen war, wolte er Davit ahn die wandt spießen. Mich deücht auch, daß, wenn man von seinen verwanten so sicht närisch werden, solte man sie gleich in ein schloß einsperren, ihnen dort woll zu eßen geben, sie aber nicht unter die leütte laßen; welches die graffen von der Lippe woll thun können, denn mich deücht, daß sie alle reich sein, die graffen von Leiningen seindt schir alle arm… Die große mode hir seindt nun die rebus; ein abbé de Boisgibeau, so meiner dochter spielcamerad geweßen undt ihr alles neües schickt, so er zu Paris bekommen kan, hatt ihr zum neüen jahr einen brieff in rebus geschrieben undt einen ahn die duchesse de Bourgogne. Ich habe meiner dochter ihren vor E. L. abcopiren laßen, schicke es hirbey sambt der außlegung, aber E. L. laßens der lieben Königin erst rahten; ich glaube, mons. Harling wirdt es ahm besten rahten können, denn ich erinere mich noch, wie er mir die römische historie mitt figuren lernte, welches mitt eine eüll auff einem käß ahnfing, so Julius Cesar bedeüttete[10][060]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Februar 1703 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 58–60
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0518.html
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