Seitenbanner

Brief vom 3. Juni 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


535.


[076]
Versaille den 3. Juni 1704.
… Gestern hatt man mir eine schöne historie verzehlt, so ich E. L. sagen muß: ein bischoff in Normandie, wie er die visitte von sein diocese that undt in einem dorff die bawern beichtete, kamm einer, so ihm deüchte eben nicht gar recht in der religion unterricht war, derowegen wolte er ihn examiniren undt fragt ihn: combien y a til de Dieu? Der bauer andtwortete fein: il n’y en a qu’un; der bischoff sagte: Dieu le pere est il Dieu? Ouy sagte der bauer; der bischoff fuhr fort: Dieu le fils est il Dieu? Perdie, sagte der bauer, je croi bien qu’apres la mort du bon homme cela ne luy poura fuir. Der wuste sein religion woll undt was Gott war… Was man in den frantzoschen brieffen gefunden, wundert [077] mich nicht; vor etlichen jahren wurdt hir ein greülicher lerm über eine solche begebenheit. Eine junge dame, so verliebt von la Carte, so man jetzt la Ferté heist[1], geworden war undt ihn woll tractirt, schickte ihm von gewißen haaren undt schriebe darbey: voilà ce qui vient de cest[2] endroit que vous aimés tant. La Carte, der eben nicht der ehrlichste mann von der welt ist, wolte Monsieur s[eelig] seine devotion erweißen undt sacrificirte I. L. den brieff mitt den haaren; der verzehlte es ahn vielle, endlich kam der damen mutter, so Monsieur gutte freündin war, undt batt, man mögte ihr doch alles widergeben; welches Monsieur mitt dem beding thate, daß die dame den cavalier in ruhen laßen solte. So ging die sach zum endt; aber darauß sehen E. L., daß es doch hir im landt bey den galanten damen die mode all lengst ist, die amants mitt so wüsten haaren zu versehen; in einem roman glaube ich nicht daß es woll lautten solte…
Ich will la Grange[3] woll hertzlich erfrewen, daß E. L. seine commedie von Alceste nicht heßlich gefunden; es ist eine traduction von Euripide. I. L. der Churfürst von Braunsweig muß gerahten haben, wie es zu Hannover hergehen würde, daß I. L. eine tax auff die bastards gesetzt haben. Die weldt würde vergehen, wenn die, so man im krieg tödt, nicht wider ersetzt würden. Wenn unßer Herrgott wie ein mensch were, könte man glauben, wie Helmont[4] undt daß, umb sich die mühe nicht zu geben, neüe seelen zu schaffen, der allmachtige sich der schon gebrauchten sehlen bedinnen möchte. Ich glaube aber, daß dießes der allmacht des allerhögsten zu nahe geredt sein würde undt daß was gottlich ist ohne mühe schaffen kan… Ich bin wie E. L., höre lieber die nachtigallen alß alle musiq der welt, undt was die natur macht finde ich allezeit schönner, alß was die menschen machen, so magnifiq es auch sein mag; drumb spatzire ich auch lieber im parq alß in den schönnen gartten. …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Juni 1704 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 76–77
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0535.html
Änderungsstand:
Tintenfass