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Brief vom 14. August 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


539.


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Versaille den 14. Augusti 1704.
… Seyder gestern seindt wir widerum hir; vorgestern hatten wir eine festé zu Marly, wie man es hir heist; umb 8 abendts kam der englische hoff ahn undt man ging gleich zu fuß spatziren. Wie man eine weille in den schönnen alléen gangen war, ging man in ein bosquet, so mitt bäncken von gazon umbringt ist; in der mitten seindt 2 enfoncements, da waren 2 buffets von glässer undt porcelainen; gradt gegenüber der thür seindt 5 oder 6 staffeln von gazon, oben war eine taffel en croissant von weißem marber mitt einem gar feinen taffeltuch bedeckt undt so genaw ahngezogen, daß man von nahem noch meint, es seye der marber; biß man die handt drauff thut. Die taffel hatt nur die couverts hinten, also wenn man ’nein tritt, sicht man alle die, so ahn taffel sein, ins gesicht; im ersten rang seindt die couverts, im zweyten alles was sich warm eßen kan; hinter dießen schüßeln seindt die piramiden von obst, undt hinter dießen die piramiden von eiß, so von allerhandt farben seindt undt mitt allen den gläßern schälger von unterschiedner größe ein rechten schönnen effect thun… Nach dem eßen führte unßer König die Königin durch alle die artige bosquet biß ahm 6. pavillon, wo der globe terester ist, so eine große machine ist gar schön gemahlt undt [081] hatt einen gar schönnen undt kostlichen fuß von bronce, über die maßen woll gearbeitt, viel cerclen von bronce undt seüllen, so die gantze machine halten. Hernach fuhren wir an globe celeste undt von dar aux carpes, welches ein bosquet schir in oval ist; in der mitte ist ein golten undt grün gitter à hauteur d’apuis[1] recht schön, da ist wie ein inßel; in der mitten von der erhobenen inselgen ist eine figur von einer Galatée von weißem marber schön undt woll gemacht; ahn einem eck ist ein kindt von golt, so ein körbgen hatt mitt biscuit undt thut alß wenns den carpen wolt zu eßen geben; auff der andern eck seindt 2 kinder, so gefischt undt carpen in einem netz tragen; ahn einem andern endt brechen sie blumen, undt anderwerts spiellen sie; umb der Galatée seindt nachgemachte blumen undt allerhandt waßervögel umb undt umb, schwanen, enten, begassinen undt viellerley vogel, so in der menagerie so natürlich gemacht, daß man meinen solte, sie leben. Zwischen dem gitter undt der insel ist das waßer undt da schwimmen die schönnen carpen. Nachdem man sie gespeist, ging man wider ins schloß undt der König führte die Königin von Engellandt zu mad. de Maintenon. Gar baldt hernach kam der junge König in Engellandt im salon undt spilte à lombre mitt dem duc de Bery, ich weiß nicht mehr, wer der dritte war. Sie spilten biß daß man durch die paucken undt trompeten, hautbois undt violons erfuhr, daß das fewerwerck fertig war. Man ging ahn die garttenthur, da sahe man eine schönne illumination, denn alle die großen piecen d’eau waren mitt lampen besetzt, undt das schlößel oder arc de triomphe von der abondance war wie gantz feüerig recht schön. Das fewerwerck ging auch woll ab, wehrte aber kaum eine halbe stund. Hernach ging man ahn taffel, wo man dießelbe musiq hatte, so man vergangen Mitwog gehabt hatte. Gleich nach dem eßen gingen die englische Königliche personen wider weg. Der König mitt seiner gantzen famille außer mich ging in sein cabinet undt ich in mein kammer undt nach bett.
Den Donnerstag 14. Augusti umb 4 uhr nachmittags.
Wir kommen in dießem augenblick auß der vesper, wo es greülich heiß gewesen; weillen aber meine andacht leyder nicht so erhitzt ist, alß das wetter, were ich schir drüber entschlaffen… Nie hatt man mehr freüde bezeügt über eine geburdt, alß über die vom duc de Bretagne[2]. Diß kindt, glaube ich, wirdt lang leben, denn es ist groß undt starck undt scheint gar gesundt zu sein[3]; dazu ist mad. la duchesse de Bourgogne gar zu glücklich gebohren, umb ein solch unglück zu erleben, daß ihr printz sterben solte. Meiner dochter kindt hatt der dockter umbs leben bracht, alß wenn er ihm eine pistol in kopff geschoßen hatte: das arme kindt hatte ein wenig gichter [082] ahn den zähnger, so hatt ihm der dockter in 2 stundt zeit 17 starcke remedien geben, die habens erstickt. Das ist woll die rechte warheit, daß niemandes in gantz Franckreich hofflicher ist undt beßer zu leben weiß undt mehr politesse hatt, alß der König; auch habe ich I. M. von grundt meiner seelen lieb; ich mache es nicht wie Jost, denn ich rühme seine mähren, so viel ich kan. Die hertzogin von Savoyen[4] helt mich alß wenn ich ihre leibliche mutter were; ich habe viel ahn mad. la dauphine verlohren, das ist woll wahr, undt noch mehr ahn die Königin; E. L. werden leicht die ursachen hirüber rahten können. Paris will, daß man ahn stilstandt undt frieden denckt; Gott gebe, daß waß drauß werden möge.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. August 1704 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 80–82
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0539.html
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