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Brief vom 8. Oktober 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


548.


[088]
Fontainebleau den 8. Octobre 1704.
… Ich sehe woll, daß E. L. papa’s s[eelig] opinion sein undt auch glauben, daß es beßer in der welt zugehen würde, wenn die welt von die 3 charlatans würde befreyet sein: die pfaffen, docktoren undt advocatten[1]. Ich glaube nicht, daß es der wahren religion schuldt ist, daß alles übel geht, sondern nur derer, die die religion zum pretexte nehmen, nur ihre [089] politic zu folgen. Ich muß lachen, daß E. L. schir so eine lange littanie haben, von waß die religion übels gestifft, alß St. Paulus eine macht von denen, so durch den glauben gerecht geworden sein. Womitt E. L. schließen, ist mitt unßers herrn Christi eygenen wortten, denn er sagt, daß Gott lieben von gantzem hertzen undt gantzer seelen, darin bestehet das gesetz undt die prophetten[2], muß also woll die rechte religion sein. … Ich kan weder thé noch chocolat noch caffé drincken; all das frembt zeug ist mir zuwider: den chocolat findt ich zu süß, caffé kompt mir vor wie ruß undt das thé wie eine halbe medecin, suma ich kan in dießem stück wie in viellen andern gar nicht alamode sein … Mein sohn hatt mir gestern eine schönne historie erzehlt von einem mönchen, so blindt worden. Ich glaube nicht, daß es noch erhört worden, daß ein mensch von einer solchen avanture blindt geworden, wie E. L. hören werden: Ein mönch zu Paris, so vor dießem ein balbirer geweßen war, hatte ein pulver gefunden, welches die feigwartzen undt fistlen courirt, ohne daß man drin schneyden dörffte; hatte viel leütten geholffen. Eine dame, so auch mitt dergleichen behafft war, bat den mönchen, ihr von dem pulver zu geben. Man weiß nicht, ob der münch curieus war, der damen hintertheil zu sehen, oder ob er in der that fürchtte, man mögte von seinem pulver ahn die balbirer geben, die seine kunst rahten mögten; allein er andtwortete, er könte sein pulver niemandts vertrawen, müste es selber aufflegen. Nach langem disputtiren ergab sich die dame, gab dem münchen eine stundt, worinen er kommen solte, das pulver auffzulegen. Wie er aber eben das pulver in den hintern that, kam ein indiscretter windt, man weiß nicht, ob ihn die dame expresse gelaßen, den patter zu regaliren, oder obs ungefehr geschehen. Dem seye, wie ihm wolle, so ließ die dame einen abscheülichen furtz, der flog mitt dem pulver dem armen charitablen münchen in die augen, daß er gleich stockblindt davon geworden ist. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. Oktober 1704 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 88–89
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0548.html
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