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Brief vom 30. November 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


556.


[094]
Versaille den 30. November 1704.
… E. L. machen mich die hertzogin von Zelle[1] lieb haben, weillen E. L. so gar woll zufrieden von ihr sein; patte aber habe ich all mein leben lieb gehabt … Ein doll geschrey geht zu Paris, man sagt, milord Malbourong[2] [095] werde nach Hannover [reisen] undt seinen möglichsten fleiß ahnwenden, die printzes von Allen[3] wider mitt dem Churfürsten, ihrem herrn, zu vergleichen, undt daß er pretendirt, daß E. L. enckel, der Churprintz[4], seine dochter heürahten solle[5]. Das werde ich nicht glauben, E. L. sagens mir denn. Ich bin doch fro, daß E. L. zur Ghöer[6] gereist sein, denn das macht E. L. Hannover erträglicher, so E. L. zuwider geweßen were, wenn sie gleich von Berlin oder vielmehr von Lützeburg gleich dahin kommen. Das schöne wetter ist nun vorbey, man sicht nichts mehr, alß nebel undt regen. Ahnstatt spatziren werden E. L. nun heütte singen[7]:
Nun kompt der heyden heyllandt.
Der jungfrawen kindt erkandt,
Deß sich wundert alle weldt,
Gott solch gebuhrt ihm bestelt
.
Nach dem eßen werde ich gewiß ein stündtgen heütte schlaffen, denn man predigt heütte undt alle Sontag biß Weinachten den gantzen advent durch. Die brieffe werden leyder nur zu sehr examinirt, sonsten würde ich E. L. auch manche sachen sagen, so E. L. mehr divertiren würde, alß was ich sonsten daher kleckse … Hir meint man, wenn man dem Czar[8] nur durch das hindertheil gleiche, seye man schon ein heros, läst aber offt den kopff undt hertz vom Czar zurück. Von printz Ugene[9] aber sag ich das nicht, man weiß woll, daß dießer kopff undt hertz gutt hatt. Mich deücht, daß die commedie von Policeute[10] ahnfengt mitt einer scene vom Policeute undt Nearque undt daß die von Severe undt Pauline erst im zweyten act ist. Vielle seindt hir von E. L. meinung, daß Corneilles commedien die besten sein. E. L. haben groß recht, man hette waß beßers vom lesprit de contradiction[11] machen können, alß sie gethan haben. Der cardinal de Camus[12] soll viell verstandt haben, aber doch ein faux devot sein … Ich hatte schon gehört, daß I. L. der itzige Churfürst[13] sehr particulier undt keine divertissementen [liebt]; so waren I. L. hir auch alß allein mitt in ein eck mitt mons. Wey[14]. Dieße manir mag woll beßer vor I. L. leütte sein, aber wie I. L. herr vatter[15] lebten, da ist mehr grandeur bey undt damitt macht man sich bey jederman mehr beliebt; da muß aber I. L. der Churfürst nichts nach fragen undt Einem jeden seine weiß gefelt undt seinen dreck vor weyrauch helt[16]. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. November 1704 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 94–95
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0556.html
Änderungsstand:
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