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Brief vom 8. März 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


566.


[101]
Versaille den 8. Mertz 1705.
… Es geht E. aber woll recht wie die, so was sie ahm meisten geliebet verlohren haben, denn sie meinen immer, alles, was ihnen noch überig bleibt, zu verliehren. Es wundert mich, daß E. L. gar kein pressentiment von Dero unglück gehabt haben. Die seelige Königin hatt sich bey aller welt beliebt undt estimirt gemacht, also seindt E. L. gewiß, daß dero ruhm ewig wehren wirdt; aber hetten I. M. s[eelig] lenger mitt dem bößen magen gelebt, würden sie ellendt undt krencklich geworden sein undt nur gelitten haben, da sie nun ohne schmertzen undt, wie wir Christen glauben müßen, in der ewigen freüde. Also seindt I. M. in dießer welt glücklich geweßen undt haben nun die ewige freüde, also nirgendts gelitten, was doch trostlich ist. E. L. idée, daß die liebe seelige Königin wie eine blume vergangen, [102] ist eben dießelbe, so Quineau[1] ahn Cibelle[2] sagen macht in ihren grösten schmertzen über Athis[3] todt:
Atis au primtemps de son age
Perit comme une fleur
Qu’un soudain orage
Renverse et ravage
.
Es ist beßer, daß E. L. Dero hertz außschütten, alß Dero trawerigkeit verschlucken, denn das ist viel ungesunder … Ich fürchte, daß die Königin s[eelig] zu viel gesungen hatt, denn die viel singen, sterben ordinarie ahn der lungensucht. Was mich wunder nimbt, ist, daß die liebe seelige Königin sich nicht übeller befunden hatt undt, ob zwar die zwey parthie noble verdorben, doch keine große schmertzen entpfunden; die forcht, krencklich zu werden, muß der seeligen Königin den todt versüst haben; Gott gebe E. L. trost. Der Bornet[4] muß doch woll ein gutter mensch [sein], daß, da er selbsten so betrübt, doch sucht E. L. zu amusiren mitt kupferstücken, finde nun meine mühe, so offt vor ihn zu reden, umb ihn auß der bastillen zu bringen, woll ahngewendt … Ich wünsche, daß E. L. dieße nacht einen solchen sanfften schlaff thun mögen, alß ich in wehrender predigt gethan. Der Konig in Poln wirdt bald ein serail machen können von allen seinen maitressen mitt ihren kindern. Wo ist aber die Königsmarckin mitt ihrem sohn hinkommen? die solte auch woll darbey sein. Mich deücht, daß ein polnischer graff ein doller heüraht vor eine princes von Saxsen Weissenfels ist. Nun das gifft in Saxsen gemein geworden, deücht mir, daß es gefährlich vor den König in Poln ist, einem edelman seine schöne fraw[5] genohmen zu haben, mögte sich woll ahm König rechen. Es scheindt, der König in Poln denckt ahn nichts alß brutaliteten; das hatt ihm mein gutter freündt Haxthaussen[6] nicht gelehrt …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. März 1705 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 101–102
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0566.html
Änderungsstand:
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