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Brief vom 9. April 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


569.


[104]
Versaille den 9. April 1705.
Wir seindt nun in den tagen, worinen man so unerhört in den kirchen stecken muß; heütte bin ich schon 5 gutte stundt drinen geweßen, solte noch wider ins salut, aber ich hette E. L. nicht auff Dero gnädiges schreiben andtwortten können, wenn ich noch dort hingangen were. Wie ich auß der großen meß gekommen, bin ich mitt zwey E. L. gnädigen schreiben erfrewet; Gott der allmächtige hatt mich also schon wider bezahlt vor die langeweill, so ich in seinem dinst außgestanden … Die capuciner leben gar erbar in Franckreich; hort man einige historger von munchen, seindt es eher les cordelliers[1] oder feuillans[2], alß capuciner … Nun werden E. L. auch singen[3]:
O mensch, bewein dein sünden groß,
Darum Christus seines vatters schoß
Eüßert undt kam auff erden,
Von einer jungfraw rein undt zart
Für unß er hir geboren wardt,
Er wolt der mittler werden.
Den todten er das leben gab
Undt legt dabey all kranckheit ab,
Biß sich die zeit herdrange,
Daß er für unß geopffert würdt,
Trug unserer sünden schwere bürd
Woll ahn dem creütze lange
.
Von dießem gar langen liedt kan ich noch woll auff wenigst ein halb dutzendt gesetz undt die melodey noch perfect. Es ist doch ahngenehmer, wenn man selber mitt singen kan, alß wenn man ein geblär hören muß in einer sprach, so man gar nicht verstehet; das ist eine widerliche sache, insonderheit wenns 3 stundt wehrt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. April 1705 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 104
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0569.html
Änderungsstand:
Tintenfass