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Brief vom 8. November 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


589.


[119]
Marly den 8. Novembre 1705.
… Sapho[1] muß ja eine narin mitt aller ihrer kunst gewest sein, weillen sie sich auß lieb für Phaon umbs leben bracht hatt; madlle Scuderie[2] wolte ihr nur, wie ich glaube, in der gelehrtheit gleichen, denn madlle Scuderie ist allezeit tugendtsam gewest; die lieb von mons. Pellisson[3] hatt sie gantz nicht verunehrt. Das war woll ein abscheülicher mensch, er hatte ein gantz viereckt gesicht vor näht von kinderblattern, die waren weiß auff einem gelben grundt; er hatte die augen gantz roht eraillirt undt wie waxs in den ecken undt zwischen den augenliedern, woran er keine haar hatte, sondern nur wo rohe fleisch; seine naße war breydt undt die naßlöcher sehr offen, auch voller näht von kinderblattern; die augen trieffen continuirlich; das maul war von einem ohr zum andern, zimblich dicke, gantz weiße lefftzen, schwartze zähn undt viel zahnlucken. E. L. sehen woll, daß mitt einem solchen gesicht madlle Scuderie ohne scandale umbgehen konte; die taille war auch nicht löblich, denn er hatt breitte schuldern undt den halß kurtz, der kopff stack gantz in den schuldern drinen, lange schmahle fuß undt keine waden ahn den beinen; es war ein recht monstre, hatte aber einen großen verstandt undt war sehr gelehrt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. November 1705 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 119
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0589.html
Änderungsstand:
Tintenfass