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Brief vom 4. Februar 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


593.


[123]
Versaille den 4. Februari 1706.
Die liebe ist eine wunderliche sache, daß sie hertzog Max so gegen sein eygen interesse hatt lügen machen undt gegen den respect, so er E. L. schuldig ist. Das haben E. L. woll nicht ahn dießem herrn verdint; ich förchte aber, daß die rewe baldt folgen wirdt undt daß es I. L. dem hertzog Max gehen wirdt, alß wie die vers von einer commedie lautten, so ich vor dießem zu Heydelberg habe spillen sehen:
Die lieb ist blindt, ist unß baldt woll gewogen,
Baldt klagen wir undt finden unß betrogen
.
Durch die jouissance wirdt die liebe erkalten; wenn dan die liebe vorbey wirdt sein undt hertzog Max sich nur den mann von einer gar armen gräffin[1] undt schwager von Dangeau[2] sehen wirdt, so ist es ohnmöglich, daß die rewe außbleibt. Aber es were beßer, daß die reflection vorher alß hernach kommen were. Sein manque de respect gegen E. L. ist woll gar nicht zu loben, aber die liebe entschuldigt viel. Ahn dießem heüraht ist bey weittem nicht so viel zu tadlen, alß hertzogs Georg Wilhelm s[eelig] seiner war, da ist gar kein vergleichnuß von zu machen; nur die schwäger seindt verdrießlich hir undt die armuht. Wenn ich ihren tauffnahmen wüste, wolte ich E. L. baldt ihr alter sagen, denn ich habe eine Durchleüchtige welt, wo alle der graffen undt gräffinen von Lewenstein geburt in stehet; ich will es schon finden. Da finde ich es eben, sie ist gebohren anno 1665, anno 1687 hatt sie den hertzog von Saxsen geheüraht undt 1695 den von Lichtenstein; sie heist Christina Theresia, also nur ein jahr älter alß hertzog Max. Daß die fürsten von Saxsen hertzogs Max kinderbrüder werden, geht noch woll hin, aber der Lichtensteinischen hette man woll entberen können, wie auch die schwagerschafft von Dangeau. Es ist zu hoffen, daß sie nicht viel kinder mehr bekommen wirdt, denn sie ist ja nun schon 40 jahr alt, wundert mich, wie sie noch so schön kan sein, dermaßen zu verblenden. Das sacrement vom ehestandt muß ihr trefflich woll gefahlen, drey männer nach einander zu nehmen; andere finden, daß sie genung ahn einem gehabt haben. …
Die, so ich ehre undt liebe wie E. L., kan undt mag ich nie zu politiquen wünschen, so jalous von ihnen werden können, denn ich bin [124] versichert, daß genereux undt affable undt ahngenehm undt spirituel, wie E. L. seindt, wenn sie in Engellandt weren, würde der gantze hoff die Königin verlaßen undt bey E. L. sein; das würde jalousie verursachen, so nichts deücht, denn wer gegen seinen leiblichen herrn vatter hatt sein können undt der so ein gutter herr war, wie König Jacob s[eelig] war, konte auch woll waß überzwergs ahn ihre tante à la mode de Bretagne, so mehr meritten hatt alß sie, thun; E. L. seindt woll, Gott erhalte sie noch lange jahre so. … Wie ich auß Louise undt Amelisse brieffe gesehen, so haben wir sehr differente opinion, denn ich kan nie condamniren, wo ich waß guts in findt; mich deücht, der nahm thut nichts zur sach. Wie können doch die raugräffinen so partiel sein, denn unßer herr vatter s[eelig], der Churfürst, hatt ja in allen instructionen von seiner kinder hoffmeisterinen setzen laßen, die partialitet zu verhindern. Ich kan auch nicht begreiffen, daß was gutt ist sich allein finden soll in was unahngenehm ist, undt wenn eben daßelbige gutte undt dießelbige morale sich in etwaß ahngenehmes findt, daß es alßdan nicht mehr gutt sein solle; ich finde vielmehr, daß zu beklagen ist, daß man nicht mehr ahngenehme maniren findt, die tugendt einzupregen, alß durch so verdrießliche undt langweillige sachen, alß wie die devotionen in allen religionen sein, drumb hafftet auch das gutte so wenig bey den menschen …
Mein sohn ist nicht gantz mons. Leibnitz meinung, denn er pretendirt, daß die unitet sich allein in Gott befindt. Er hatt mirs wollen begreiffen machen, ich gestehe aber meine ignorentz, ich begreiffe kein wort davon, denn [mein sohn] weiß ein wenig mehr alß ordinarie leütte von seiner art wißen; es stehet ihm auch zehnmahl beßer, wenn er serieux redt, alß wenn er poßen treiben will, denn serieux ist ihm gantz natürlich, aber das will er leyder nicht glauben.
Das spiel hatt sich gewendt, Saragossa ist nun vor unßern König in Spanien[3] undt ein gutt theil von Aragon, man hatt auch die belagerung von Alicant[4] auffheben machen, wie ich heütte durch einen brieff von der Königin in Spanien vernohmen. In Cathalonien geht es auch nicht mehr so gar woll vor den Ertzhertzog[5], also zu hoffen, daß unßer König in Spanien[6] sich noch in seinem thron befestigen wirdt. Man hört doch nicht, daß Naple undt Sicilien untrew sollen geworden sein. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Februar 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 123–124
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0593.html
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