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Brief vom 21. Februar 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


595.


[127]
Versaille den 21. Februari 1706.
… Ich erinere mich noch gar woll der Hemelschenburg[1], wo E. L. alß vorbey fuhren, wenn sie von Pirmont nach Osen fuhren: hatt eine zichbrück, sicht recht auß in den bergen wie die schlößer in Amadis, wo die ritter die abendthewer versuchten. Wie mons. Klenck hir war, ging er schon nicht gar woll, ist leicht zu glauben, so es sich vermehrt, daß er gantz lahm sein muß; seine fraw ist zu admiriren … Mich wundert, daß hertzog Anthon Ulrich nicht nach Hannover kompt, da das hauß nun einig ist; ich wolte, daß E. L. eine reiße nach Wolffenbüdel theten, denn da haben sie die seelige Königin nicht gesehen, das würde also ahn nichts traweriges erinern, wie Hannover … Die abdissin von St. Elisabeth starb gestern; sie ist des premier president von Paris leibliche schwester geweßen. Ich kan mich ohnmöglich erinern, wie ich E. L. die historie des poires de Ste Elisabeth beschrieben habe[2], aber den grundt von der sach weiß ich noch woll, nehmblich daß böße buben von den dollen inventionen in der nonen gartten geworffen hatten über die mauer. Eine none, so eben spatziren ging, hub alle die schönen sachen auff, that sie in einen korb undt brachte es der abtißin undt fragte: qu’est ce que c’est que cela? Die abtißin antwortete: ce sont des poires, ließ den korb verwahren, denn sie wolte eine klag ahn ihren bruder thun undt auffpaßen laßen, wer dieße insolentz begehen mogte, umb sie abstraffen zu laßen. Die einfaltige none schriebe auff den korb poires de Ste Elisabeth. Die abtißin hatte in der that gar kostliche piren in ihrem gartten; ihr bruder, der premier president gab damahls eben ein groß festin undt weillen er wuste, daß seine schwester so kostliche piren in ihrem gartten hatte, schickte er hin undt lest sie bitten, ihm ein corb von den besten zu schicken. Die none, der vielleicht die falschen piren gefahlen, meinte, sie konne nicht beßer thun alß von denen zu schicken, vermacht sie woll undt schickt sie. Der premier president wehrte alle, piren zu eßen, sagte, er hette auß St. Elisabeth hollen laßen, die weren ohnvergleichlich beßer. Man bringt den korb, man macht ihn geschwindt auff undt der premier president wolte sie selber den erbaren gästen vorlegen, zog alle die dolle piren auß dem corb; welches ein greülich gelächter gab, wie leicht zu glauben. [128] Wie mir E. L. den Churprintzen[3] beschreiben, glaube ich nicht, daß die Churprintzes[4] des bischoffs von Paris weingartten[5] fordern wirdt, sie mögte woll mitt alle ihre complaisance gedencken: ach hette ich den Ertzhertzog! Aber wie kan I. L. der Churfürst seinen herrn sohn leyden wie er ist, ohne zu corigiren. Wenn dießer herr ein wenig ahn seiner fraw mutterseydt dencken wolte, hatt er eben keine so große ursache, hoffärtig zu sein. Weillen der Churprintz so heßlich spilt, muß er auch karch sein, welches auch eine heßliche qualitet vor einen großen herrn ist. Ehe dießer herr geheüraht war, waren E. L. beßer mitt ihm zufriden[6]; solte er auch schon ahnfangen, von seiner gemahlin freüllen verliebt zu werden, daß er sie auch bey sich setzt? Das were früh ahngefangen; hatt er denn seine fraw schwester[7] nicht lieb, daß er die nicht bey sich hatt eher alß ein hofffreüllen. Ich glaube, der jüngste tag wirdt baldt kommen, denn es fengt ahn zu gehen [wie] zur zeit der sündtfluht, denn es scheint alß wenn sich die gantze natur verkehren wolte undt wider ein cahos werden, denn ich sehe überall alles drunter undt drüber gehen, alles ist in confusion.
Auff die schrifft wirdt mein sohn mons. Leibenitz selber andtwortten, umb zu weißen, daß er ihn versteht. Mein sohn undt die gelehrten so bey ihm admiriren über die maßen des herrn Leibnitz schrifft undt seinen großen verstandt, alles so net vorzubringen; wir werden sehen, ob er auch von meines sohns schrifft zufriden sein wirdt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Februar 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 127–128
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0595.html
Änderungsstand:
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