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Marly den 1. Julli 1706.
… Es kompt mir recht wunderlich vor, daß man E. L. große
pancarten
[1] von der adoption ahn der cron Engellandt bringt undt daß man
E. L. nicht gibt, was die negsten erben ahn pension haben sollen. Ob es
E. L. zwar nicht hoch von nöhten haben, so könte es Deroselben doch nicht
schaden, undt deücht mir, daß es schimpfflich vor cron Englandt ist, die
adoption ohne die pension zu schicken. Wie E. L. mir den Churprintz
beschreiben, muß er sein was man hir quinteux heist; das seindt die
unleydtlichsten humoren undt mitt welchen man ahm wenigsten zurechtkommen [kann],
undt die seindt zu beklagen, so mitt solchen leütten zu thun haben; [ich]
beklage I. L. undt insonderheit seine gemahlin; es muß aber auch des
hoffmeister schuldt sein, so I. L. gehabt haben, denn hette er ihm den kopff in
der jugendt gebrochen undt recht gewießen, was er jederman schuldig ist,
würde er raisonabler geworden [sein]. Man solte ihm haben begreiffen
machen, daß man die leütte vor boßig helt, wenn sie so sein; wenn man ihm
das recht eingeprägt hette undt seiner großherrvattern exempel vorgestelt,
wie die sich mitt ihren politessen undt gutten humor bey der gantzen welt
estimirt undt beliebt gemacht haben, auch daneben begreiffen machen, wie er
durch seine gebuhrt viel weniger ursach hatt, stoltz zu sein, so bin ich gewiß,
daß, wo er anderst verstandt hatt, wie man sagt, daß er reflectionen würde
gemacht haben undt in sich gangen sein. Ich bilde mir den Churprintz gantz
ein, wie den graff Platten. … Der hießige general Villars hatt dem König
in gnaden abgeschlagen, mitt meinem sohn zu dinnen, denn er bestiehlt das
Elsaß undt die Pfaltz so unerhört, daß [er] 500 hundert (!) pistollen des
tags gewindt. Er mag meinen sohn haßen, wie er will, so hatt er doch
nicht wehren können, daß mein sohn ihm vor etlich jahren ein groß undt
schön hirschgewicht
[2] auffgesetzt hatt so woll alß viel andern mehr. Von der
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englischen cron werde ich dießmahl nichts sagen; Gott laße alles zu E. L.
vergnügen außschlagen, so bin ich schon zufrieden. Es fehlt viel, daß man
jetzt so schönne taillen sicht alß wie vor dießem; das kompt, weillen die
weiber keine leiber
[3] nicht mehr tragen wollen; es benimbt auch die scham,
denn man ist so gewondt, nackendt, so zu sagen, vor die manßleütte zu gehen,
daß sie sich gar nicht mehr vor ihnen schämen, ist also in allem eine gar
heßliche mode. Ich weiß nicht, wie die männer es leyden können, daß sich
ihre weiber so ungeschnürt weißen. Ich habe offt remarquirt, daß die männer
nichts mehrers scheüen alß hanereyen zu werden, undt geleyten ihre weiber
selber zu alles was die schamhafftigkeit verliehren macht, undt wenn die
einmahl dahin ist, folgt das ander baldt hernach …