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Brief vom 2. September 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


613.


[141]
Versaille den 2. Septembre 1706.
… Ich werde E. L. verzehlen, waß wir gestern schönes gesehen. Wir fuhren hir umb 10 weg; Monsgr.[1] war so hofflich undt ließ mich bey dem König sitzen; er saß hinten undt hatte mad. la duchesse bey sich, mad. [142] la princesse de Conti war im schlag, mons. le duc de Bourgogne undt duc de Bery waren in ihrer kutzsch hingefahren. Wir kamen umb 11 aux Invalides[2] ahn; das gantze feldt war voller kutzschen; oben vor der kirch war mons. Mansart[3] undt hatte eine große troupe hinder sich von mahlers undt allerhandt handwercksleütte, so ahn dieß werck gearbeit hatten. Er machte dem König eine kurtze harangue undt presentirte den paspartout von den Invalides, einen großen mächtigen vergülten schlüßel, schön gearbeydt. Hernach ging man in die kirch. Was man hir le premier coup d’oeil heist, macht einen stutzen vor verwunderung; man sicht nichts als marber schöne weiße quaderstein undt golt. Wenn man just in der mitten vom dome steht, sicht man 7 goltene altare. Es seindt 4 capellen ahn 4 pères de l’esglisse dedicirt; in einem jeglichen dome von dießen capellen ist des heyligen leben gemahlt; eine ist von Saint Gregoire, eine von St. Ambroise, eine von St. Augustin undt eine von St. Jerome in der mitten. Undter dem großen dome seindt in den 4 ecken die 4 evangelisten gemahlt; über jeder thür seindt bas relieff in stein gehawen. Oben in dem dome ist die dreyfaltigkeit undt auff den seytten alle martirer; mich deücht auch, daß alle heylligen bey der dreyfaltigkeit sein. Der dome ist abscheülich hoch, die figuren scheinen kleiner alß lebengröße undt seindt doch 16 schuh hoch. Ein altar, so doppelt ist, scheydt das allerheylligste von dem übrigen von der kirch. Der altar hatt etliche stuffen von marbre; er ist zwischen 4 abscheüliche große colonnen torse[4] mitt laubwerck umbgeben, gantz vergült; auff jede colonne steht ein großer vergülter engel; jeder engel helt ein theil von einem pavillon, so über dem altar; ist alles golt. Auff beyden seytten des altars seindt marberstigen, so in die neff[5] gehen. Gantz ahm endt von der kirch stehen gar große orgeln, deßen oberste theil auch gantz vergult ist. Aber es ist beßer, daß ich E. L. ein buch von dießer kirch schicke, denn ich mögte mitt meinem albern recit waß von der schönheit verderben. Ich muß nur noch sagen, daß 4 tribunen sein, wo des Königs musiq war, wie auch paucken, trompetten undt hautbois; das machte ein braff geraß zusammen. Cardinal de Noaille[6] laß die meß. Es war so erschrecklich heiß in der kirch, daß, wie wir widerkamen, muste jederman ein ander hembt ahnziehen, ob es zwar gar starck regnete, wie wir auß der kirch gingen …
Es muß E. L. frewen, daß sich der cronprintz so beliebt bey der armée gemacht hatt. Worumb schreibt der König in Preussen auff frantzösch [143] ahn seine zukünftige fraw schwigertochter? Das ärgert mich, wenn die gutte ehrliche Teütschen alß frantzösch schreiben, alß wenn unßere muttersprach nicht gutt genung dazu were. … Ich bin jetzt recht in sorgen vor meinen sohn, so den 28. Aug. vor Turin ahnkommen[7], undt der printz Eugene folgt ihn, glaube also, daß sie einander greülich in die haar kommen werden, denn die statt ist noch nicht eingenohmen, sie wehren sich starck. Man hatte einen halben mondt eingenohmen gehabt undt noch zwey andere werck, aber die belagerten haben es wider genohmen, also wirdt der printz Eugene woll eine schlagt wagen, den ort zu entsetzen, undt da ist mir bitter bang bey. Mein Gott, wie bin ich des leydigen kriegs so müde …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. September 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 141–143
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0613.html
Änderungsstand:
Tintenfass