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Versaille den 23. Septembre 1706.
… Von hir kan ich E. L. wenig guts sagen, man ist in einem
greülichen standt undt will die, so es treülich meinen, nicht glauben, darauß ist
meines sohns unglück entstanden, denn der König hatte ihm expres befohlen,
nichts ohne den marechal de Marcin zu thun; der war ein timider mensch,
dörffte auch nichts unterfangen ohne mad. de Maintenon zu fragen, die den
krieg versteht wie mein Titti
[1]. Wie kan es dan woll ablauffen? Wenn
dan ein unglück geschehen, heült sie undt weindt; das macht aber das übel
nicht gutt. Gott verzey mirs, aber ich kan nicht glauben, daß sie meinen
sohn zu seinem besten in Ittallien geschickt hatt. Es kan nicht traweriger hir
sein, alß es nun ist; nirgendts wirdt kein hoff gehalten. Niemandts trawet
dem andern; man darff nicht reden. Die Maintenon ist alles undt thut alles;
was sie liebt, liebt der König, was sie hast, hast der König; sie aber denckt
nur ahn ihre interesse, zicht gelt von alles; von den armen juden in der
Pfaltz hatt sie 120 000 fl. gezogen; von alles lest sie sich gelt geben, drumb
geht alles so doll her, alles geht mitt ungerechtigkeit undt plag vor den
pöpel. Solche verblendung, wie unßer König hatt, ist nicht erhört worden.
Der dauphin denkt ahn nichts alß jagen undt eßen; dem duc de
Bourgogne gibt man kein gehör; der duc de Bery ist eben wie sein herr vatter;
wie kan es dan anderst alß übel hergehen. Gott weiß, was endtlich drauß
werden wirdt. Traweriger habe ich den hoff mein leben nicht gesehen, alß
er nun ist. Kein mensch darff das maul auffthun undt alle augenblick
kommen boße zeittungen. … Die nächte seindt schön, nun der mondt leücht.
Des cronprintzen gehorsam ist desto mehr zu loben, daß es bey itziger zeit
die mode gar nicht ist, daß kinder den eltern gehorsam sein. Es ist nicht
möglich, daß man so einen herrn nicht lieb sol haben. Ob ich zwar weder
I. L. den cronprintz noch churprintz kene undt sie mir gleich nahe verwandt
sein, so ist mir der cronprintz doch viel lieber alß der churprintz, weillen
dießer E. L. lieb hatt undt seine schuldigkeit beßer alß der churprintz bey E.
L. verricht. … Gestern habe ich noch einen tome von Octavia vom gutten
hertzog von Braunsweig bekommen: der roman macht ahn die ewigkeit
gedencken, denn er nimbt kein endt …