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Brief vom 14. Oktober 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


621.


[147]
Versaille den 14. October 1706.
… Wenn man list was E. L. ahn Dero fraw schwester[1] vom König in Schweden[2] schreiben, kan man ohnmöglich laßen ohne sich vor ihm zu interessiren; er ist ein rechter christlicher heros, woll schadt, daß I. M. solchen [148] widerwillen gegen den heüraht haben, denn er solte race ziehen, umb die tugendt wider in die welt zu bringen, die man selten findt zu dießen zeitten. Er erweist woll, daß er nicht interessirt ist, weillen er der Königin Churfürstin undt Churprintzen ihre einkommen lest. Wie ich des Königs in Schweden contrefait gesehen, seindt I. M. ohnvergleichlich schönner, alß der letztverstorbne König in Denemarck[3] war. Dießer König in Schweden muß gar gewiß verstandt haben; E. L. beschreibung setzt mich gantz auff sein parthey … Waß milord Marlbouroug gethan, Chur Bayern seine gemähls undt meublen zu schicken, finde ich recht nobel undt löblich. Mein dochter hatts so baldt erfahren alß E. L., daß ihr schwager[4] in der zweyten wahl zu Münster ist gewehlet worden. Es ist woll wahr, daß die zeitten nun gar wunderlich sein. So unglücklich unßer König in Engellandt[5] auch nun ist, so hatt er doch nun zwei glück: gesundt undt jung zu sein; das hatt die Königin[6] nicht, denn ob sie zwar noch nicht alt ist in der that, so ist sie doch alt gegen ihren herrn bruder zu rechnen undt soll offt das potagram haben … Ich kan nicht begreiffen, wie man nicht gern woll logirt; die hertzogin von Zel wirdt vielleicht ihr hauß inwendig endern. Mich wundert, daß sie nicht zu ihrer fraw dochter nach Allen[7] geht eher alß nach Luneburg[8]; sie hofft vielleicht, sie dorthin zu bekommen. Ich gestehe, daß ich nicht leyden kan, daß unßere Teütschen negligiren weß sie sich einig undt allein über alle nationen berühmen konten, nehmblich von gutten hauß zu sein ohne mißheürahten. Wenn man sich encanaillirt, muß man mitt seinen schwagern umbgehen undt ohnvermerckt nimbt man hernach ihre ellende sentimenten ahn, welches denn so ellende undt ingnoble sentimenten macht, wie man hir alles sicht, undt ich bin gewiß, daß man es in Teütschlandt gerewen wirdt, wenn es keine zeit mehr sein wirdt. Stiquinelle[9] dochter kan woll adliche freyers gehabt haben, aber der sie genohmen ist ahm närischten; sigr Ortance[10] mögte leicht gerahten haben, weillen die braut sich schminckt, mag sie woll allen den galants nicht gantz abgesagt haben. Graf Platten der vatter ist noch von E. L. undt oncle hoff, also kein wunder, daß er polie ist, aber bey itziger zeit sehe ich wenig von Hannover kommen, so auff dießen schlag sein, undt das thut dem itzigen Churfürsten keine sonderliche ehre ahn. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Oktober 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 147–148
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0621.html
Änderungsstand:
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