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Brief vom 17. März 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


629.


[155]
Versaille den 17. Märtz 1707.
… Herzog Anthon Ulrich jammert mich, daub geworden zu sein; es wundert mich, daß I. L. lustig dabey sein können, denn ordinari seindt alle dauben trawerig undt melancholisch. Ich bin E. L. woll hoch verobligirt, ohnangesehen alles gethuns undt frembten, so sie zu Hannover nun haben, doch keine post vorbey gehen zu laßen ohne mich mitt ein gnädiges schreiben zu begnädigen. 8 fürsten undt 7 fürstinen, da fehlt noch eine: ich wolte, daß es mir erlaubt were, dießen platz zu füllen, E. L. würden mich baldt dort sehen. Ich höre gern, daß die gräffin von der Bückeburg[1] bey E. L. ist, weillen E. L. so viel von ihr halten; ich wünsche auch, daß die gräffin von Sintzendorff[2] lang bey E. L. bleiben möge, weillen sie E. L. divertirt. Diß ist woll ein wunderlicher nahm: die gräffin Reinsmaul[3], die ist woll keine reichsgraffin. Die princes Elizabeth[4] von Braunsweig jammert mich, denn es ist etwaß hartes, die seinigen vor ewig zu verlaßen; ich weiß, [156] wie es thut, beklage I. L. desto mehr. So gehts in der welt, wenn das verhencknuß eine sach vorsehen hatt, so muß ein pedant zu endt bringen was ein verständiger mann nicht hatt thun können; das erweist woll, daß destin in alles ist. Ich hette nicht gedacht, daß hertzog Johan Friderich so starcken glauben ahn die reliquien haben könte, das ist mir noch nicht kommen, aber wegen der antiquitet sehe ich sie gern. Zu Paris hatt man antiquitetten in der Ste chapelle vor reliquien fleißig verwahrt, endtlich kam ein gelehrter in antiquitetten hinein undt fand, daß die gröste relique ein apotheose von Germanicus war[5], ein großer onicsstein, man kan nichts schöners sehen, alle gesichter kent man durch die medaillen: oben ist Julius Cezar undt Augustus in einem himel, die entpfangen den Germanicus, unten ist Tiberius, Livia undt was sonsten noch vom keyßerlichen hauß überig. Diß alles hatte man vor heylige genohmen undt schön in golt eingefast, undt die 4 evangelisten in die 4 ecken gesetzt, undt man küste es alle tag vor reliquen. Wir haben hir bey hoff woll hertzlich drüber gelacht. Der onix ist incomparable, man hatt es in kupffer gestochen seyder man weiß, was es eygendtlich ist …
Wir haben hir zwey Psichéen: eine von Moliere, undt das ist was E. L. commedianten spillen, undt eines von Quineaud[6], so ein opera; aber in allen beyden ist der prologue, die ciclopen undt das endt mitt den entréen daßelbe; Leonide[7] muß, wie ich glaube, auß dem roman von Caloandro[8] genohmen sein …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. März 1707 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 155–156
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0629.html
Änderungsstand:
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