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Brief vom 6. Mai 1708

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


656.


[177]
Marly den 6. May 1708.
… Wolte Gott, der geist des friedens mögte auff alle menschen kommen, denn ich bin des kriegs undt aller zweytracht sehr müdt, insonderheit [178] meines sohns campagnien. Ich hette zu viel zu thun, wenn ich E. L. expliciren solte, worumb die königlichen minister die sach von Schottlandt überall hin geschrieben hatten[1]. Mich deücht, es ist eben nicht das erste mahl, daß sie sich übereylt haben; doch will ich es nicht gesagt haben. Milord Griffin[2] jammert mich woll von hertzen, undt lest ihn die Königin Anne umbbringen, kan ichs ihr nicht verzeyen, denn er hatt ja nie nichts böß gethan undt ihrem herrn vatter allezeit trew gedint; das meritirte von dießer Königin mehr recompens alß straff …
Nun die tage lang sein, deücht mir, E. L. theten beßer, in die Ellerey[3] zu fahren undt dort zu spatziren, alß umb den wall. Ich weiß nicht, ob man noch durch den stall auff den wall geht. Ich muß woll von hertzen lachen, daß E. L. sagen: sie blühen wie die roße von Jericho; freylich weiß ich woll, was es ist; ich habe eine zu St. Clou. Man hatt hir einen aberglauben damitt, undt wenn eine fraw in kindesnöhten ist, stelt man diß gewäcks ins waßer undt man meint, wie es sich auffthut, thut sich der frawen mutter auch auff, undt daß man desto leichter ins kindtbett kompt. Ich aprobire, daß rülbsen[4] keine schandt ist, furtzen solte es auch nicht sein, denn beydes ist gutt vor die gesundtheit, also aller ehren wehrt …
Das doll werden hatt ein wenig auffgehört hir im landt. Weren nicht so viel contretemps geschehen, würde man den schottischen ahnschlag vor keine dorheit gehalten haben. So gehts mitt alle große desein: geraten sie, so ist es admirabel, kompt ein unglück dazwischen, wirdt es vor dorheit gehalten. Zu sehen, wie die zeitten nun sein, muß man vor dießem viel devotter geweßen sein, alß nun. Aber wie hatt das den leütten die augen nicht geöffnet, den geitz von den mönchen zu sehen; der Keyßer solte des Czaar exempel folgen, der machts raisonabel mitt den reichen clöstern. So etwaß wie das, was E. L. mir von Billiams[5] eßel geschickt[6], darff ich hir im landt nicht weißen; es ist gar nicht erlaubt hir, von der heylligen schrifft zu raisoniren. Man würde mich braff filtzen undt den beichtsvatter über den halß schicken. Man muß schir stum hir werden, es ist nicht erlaubt, zu raisoniren, drumb werde ich auch so dum. Es müßen wenig rechte christen in der weldt sein, denn es seindt wenig, so gedencken, ihren nebenchristen zu lieben undt ihnen guts zu thun undt einig zu leben, undt wenn mans recht betracht, findt doch ein jeder sein vortheil dabey. Ich habe einen friedfertigen geist, hater undt streydt gefelt mir gar nicht. Ich habe heütte morgen die almächtige dame[7] besucht; sie war heütte gar von guttem humor. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Mai 1708 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 177–178
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0656.html
Änderungsstand:
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