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Brief vom 20. September 1708

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


670.


[190]
Versaille den 20[1]. September 1708.
… Von dem humor, wie die princes von Schwerin sein soll, so glaube ich, daß sie mehr von dem ziraht helt, den der König in Preüssen seinen rähten gewießen, umb sie zu persuadiren, daß er noch deüchtig zum heürahten were, alß die schönne heüßer.
Morgen wirdt mons. Spilcker herkommen undt meinen brieff abhollen, drumb schreibe ich jetzt wider. Ich kan E. L. leyder aber gar nichts artiges berichten denn daß das alte weib[2] boßhafftiger ist alß nie undt ihr pupil, die hertzogin von Bourgogne, in ihrer boßheit undt falschheit erzigt. Sie macht die duchesse de Bourgogne mitt großen cappen, umb betrübt undt devot zu scheinen, in alle große meßen lauffen; undt in alle salut da that sie alß wenn sie weindt undt fasttage helt, undt nachts haben wir sie sehen mitt ihren damen durch die fenster medianosche[3] halten undt sich braff lustig machen. Sie kan 2 bouteillen pure wein außsauffen, ohne daß man es ihr ansicht, undt ist so coquet, daß sie biß auff ihr eygene escuyer nachleüfft. Da sehen E. L., wie falsch alles hir ist. Das alte weib macht dem König weiß, daß ihresgleichen nicht ist in gottesforcht undt tugendt, undt das glaubt der gutte König heyllig. Alle tag thut sie mir brusquerien, lest mir ahns Königs taffel die schüßeln, wovon ich eßen will, vor der naß wegnehmen; wenn ich zu ihr gehe, sicht sie mich über eine axel ahn undt sagt mir nichts oder lacht mich auß mitt ihren damen; das bestelt die alte express, hofft, ich würde böß werden undt mich amportiren, damitt man sagen möge, man könne nicht mitt mir leben, undt mich nach Montargis[4] zu schicken. Aber ich merck den possen, lach also nur über alles was sie ahnfangen undt beklag mich nicht, sage kein wordt; aber die warheit zu bekennen, so führ ich ein ellendt leben hir, aber mein parthie ist gefast, ich laß alles gehen wie es geht undt amusire mich so gutt ich kan, dencke: die alte ist nicht unsterblich undt alles endert in der weldt; sie werden mich von hir nicht wegkrigen alß durch den todt. Das macht sie verzweifflen vor boßheit. Niemahlen ist jemandts so absolutte geweßen alß die Maintenon ist, aber wie sie ignorant ist undt nichts alß das bürgerleben verstehet undt doch über alles regiren will, drumb geht alles so überzwerg[5]. Das weib ist abscheülich gehast zu Paris, sie darff sich dort nicht offendtlich weißen, ich glaube, man würde sie steinigen …
[191] Monsgr.[6] hatt gar gewiß die stinckende Choin[7] geheüraht, der lebt mitt sein Iris dans une paix profonde et ne conte pour rien tout le reste du monde. Die duchesse de Bourgogne soll einmahl zu ihrem herrn gesagt haben: j’aime bien à vivre, mais je voudrois seullement mourir pour 4 ou 5 mois et pouvoir revenir apres pour voir, qui vous espouseriés clandestinement, pour faire le 3. tome. Da sehen E. L. die falschheit von dießer jungen dame undt wie sie die leütte, so sie ahm liebsten soll haben, tractirt; sie ist umbringt mitt ein hauffen junger damen, so die impertinentste creaturen von der welt sein, insonderheit 3 döchter von dem duc de Noaille. Unßere duchesse d’Orleans[8] hatt durch geschencke der duchesse de Bourgogne gnaden erworben. Wenn E. L. sehen solten, wie alles drunter undt drüber geht, es ist gar zu possirlich …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. September 1708 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 190–191
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0670.html
Änderungsstand:
Tintenfass