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Brief vom 7. Februar 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


681.


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Marly den 7. Februari 1709.
Wir seindt seyder gestern hir, ob zwar die kälte noch abscheulich ist. Vor 8 tagen hatte es ein wenig auffgethauet, seyder vergangen Sontag ist aber der frost ärger alß nie widerkommen. Vor etlich tagen ist der bischoff von Marseille[1], ein junger mensch, gar plötzlich gestorben, man hatt ihn morgendts todt im bette gefunden; man hatt ihn geöffnet undt etwaß gefunden, wovon man noch nicht gehört hatte, denn sein hirn ist ihm verfrohren undt zu eyß geworden. Daher können E. L. uhrtheillen, welch eine grimmiche kälte es hir sein muß; ich sitze am eck vom fewer undt kan kaum die feder halten. Gestern abendts hatten wir musiq, es lieff aber übel ab, denn die helffte hatte den weg mitt ihrem fiacre nicht herauff kommen können, denn es ist überall glateyß undt vielle leütte brechen sich arm undt bein … Umb sich dießes leben woll können zu nutz zu machen, müste man sein eygen herr sein undt nicht von andern despendiren. Ich bin jetzt in meiner bibel ahm ersten buch Moßes, denn ich habe es mitt dem neüen jahr wider ahngefangen, find es recht divertissant (zeitverdreiblich solte ich sagen) zu leßen …
Daß ewer abt von Lockum[2] nicht ohne geselschafft eßen kan, macht mich ihn einbilden alß wie den gutten prelat von Iburg[3], der auch so gern hatte, daß man mitt ihm aß undt von seinem wein von hundert jahr versuchte. Alle leütte, so so rechtmäßige betrübtnuß haben wie die gräffin Kilmanseck seindt woll zu beklagen. Wenn der junge graff Platten[4] noch so jalous ist alß er in Hollandt geschinen, were es beßer vor die junge gräffin geweßen, daß der mann, alß der schwigervatter[5] gestorben were. Es geschicht gar offt, daß kinder den großeltern oder großoncle undt tanten gleichen. Es were ein trost, wenn man wißen könte, daß man nach seinem todt wider einen andern leib animiren könte undt wider leben, aber ich kan es nicht glauben … Der duc de Bourgogne undt der duc de Bery seindt mitt einander undt auff dießelbe weiß erzogen worden, allein ihre humoren seindt sehr different. Der duc de Bery ist gar nicht devot, hatt keine consideration vor nichts in der welt weder vor Gott noch menschen, keine maximen, ist in sorgen vor nichts, wenn er sich nur divertirt mitt waß es auch sein mag: schießen, karten spillen, mitt junge weiber reden, so le sens commun nicht haben, braff freßen, das ist all sein lust, auch das eyßglitschen gehört dazu. Mein sohn ist ganz ein ander art, er liebt den krieg undt versteht die sach, er liebt weder jagen, schießen noch spiellen, aber er liebt alle freye künsten undt über alles die malerey undt gemähls, worauff er sich, wie die [201] mahler sagen, sehr woll verstehet; er liebt das distilliren, er liebt die conversation undt spricht nicht übel, er hatt woll studirt undt weiß viel, denn er hatt ein gutt gedächtnuß; er liebt die musiq undt liebt die weiber; ich wolte, daß diß ein wenig weniger were, denn er ruinirt sich undt seine kinder mitt undt es bringt ihn offt in gar zu liderliche geselschafft, die ihn von alles guts abhalten. …
Daß die Frantzoßen sich, wenn sie reisen, bey die herschafften ahngeben, ist auß hochmuht, meinen, daß alles was nicht ihr König ist, ihres gleichen ist. … Mein sohn ist nie unlustig, alß wenn er nicht vor seine armée bekommen kan, was ihm nöhtig ist, wie offt geschicht.
Ich sage nicht, daß der König geheüraht seye, aber gesetzt, daß ers were, so würde, wenn der König den heüraht declariren wolte, kein mensch ein wordt dagegen sagen. Der dauphin ist im selben ruff, mißheüraht zu sein; der duc de Bourgogne scheüet den König undt die dame zu sehr, den mundt auffzuthun. Dieße dame undt die duchesse de Bourgogne seindt nur eine seele in zwey leiber. Der duc de Bery weiß selber nicht, wer er ist, weiß nichts undt helt alles vor recht. Also können E. L. kecklich glauben, daß die printzen nichts verhindert haben ahn dießer declaration. Leütte, die meinen, daß sie die sach woll wißen, versichern, daß es biß jetzt der verstorbene beichtsvatter, le pere de la Chaise, auffgehalten hatt; was weiter werden wirdt, sol die zeit lehren. …
E. L. expressionen gehen über die fruchtbringende geselschafft, das wirdt mons. Leibenitz gestehen müßen, undt ahngenehm schreiben ist beßer, alß correct. Von dem goltmacher[6] ist der König in Preüssen nicht reich worden, weillen er mehr gekost alß profit gemacht hatt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Februar 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 200–201
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0681.html
Änderungsstand:
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