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Brief vom 7. April 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


686.


[204]
Versaille den 7. April 1709.
… Wir haben gar nichts neües hir alß daß gestern à la place Maubert hundert weiber de la halle einen commissaire umbbracht haben. Man hatt sie alle gefangen genohmen undt eingesetzt. Es kompt, weillen das brodt nun thewer wirdt. Mr. Dargenson[1] hatt man auch eine dobelte wacht geben müßen, denn sie wollen ihn auch umbbringen. Es ist korn [205] genung hir im landt, aber die leütte seindt so interessirt, daß sie es nicht alß gar thewer verkauffen wollen, undt das macht die thewerung[2].
Die Engländer merittirten dieß jahr braff geklopfft zu werden, weillen sie so sehr gegen den lieben frieden sein; sie seindt in dem stück ärger, alß wolffe. Es mogte woll schmahle bißen in Flandern geben. Der lange frost hatt überall geschadt; wenn hungersnoht ist, wirdt man es bey hoff auch gewahr, nicht daß man mangel von brodt hatt, aber was man ißt, ist nicht gutt, denn weillen die hüner kein korn eßen können undt die schwein kein kleyen haben, deücht das alles nichts, undt man kan nichts mitt speck eßen, denn der speck deücht nichts, alles vieh in denen zeitten wirdt mager, summa: es ist ein ellendt in alles …
Mich deücht, die lutherische pfarer fangen ahn, überall greülich insolent zu werden, haben corection von nöhten … Ich finde gar billig, daß man auß Englandt E. L. part gibt von was man thut. Der Czaar hatt auch einen kahlen kopff, konte doch den Keyßerslorbercrantz woll tragen, also würden E. L. auch woll die drey englische cronen tragen können. Das bin ich nicht persuadirt, daß die, so E. L. brieffe übersetzen, mehr mühe alß lust dabey haben; wenn das were, würden sie nicht so verbicht drauff sein.
Hertzog Anthon Ulrich könte einen roman machen von des Landtgraff[3] von Darmstat undt der gräffin von Sintzendorf liebe[4], denn weillen sie keine scheü hatt, des Landtgraffen tendre brieffe zu weißen, würde sie auch woll alle ihre avanturen verzehlen. Man kan bey dießer lieb das sprichwordt cittiren: Die liebe ist wie der thau, felt eben so leicht auff einen kuhfladen alß auff ein rosenblat[5]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. April 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 204–205
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0686.html
Änderungsstand:
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