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Brief vom 18. April 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


687.


[205]
Marly den 18. April 1709.
… Ich habe von hertzen lachen müßen über E. L. cittation vom osterfladen in süßer lieb gebraden, aber in der that ist es wunderlich geben. Es ist gar kein wunder, daß E. L. in der predigt geschlaffen haben, denn wenn man zum h. abendtmahl geht, stehet man ordinarie früh auff, das macht beßer eßen, undt wenn man den magen voll hatt, kommen die dämpff undt machen schläfferig, undt die langeweill sambt dem thon vom prediger schläffert vollendts ein: es gibt so einen sanfften schlaff undt mich deücht, man schläfft beßer in der predigt alß im bett … Es geht mir wie E. L.; ich habe mein leben nichts auß der offenbarung sanct Johannis begreiffen können. Dießer beichtvatter, den ich nun habe[1], ist raisonable in alles außer die religion, die hatt er gar zu einfältig undt hatt doch gutten verstandt; [206] die aufferzucht muß es thun; er ist gantz anderst alß meine zwey andere beichtsvatter waren, alß nehmblich pere Jordan undt pere de St. Pierre[2], sie bekandten, was bagatellen undt übel in dießer religion war; das will dießer nicht thun, er will, man solle alles admiriren, undt das kan ich nicht thun noch mir waß weiß machen laßen; auch sagte er, daß ich nicht docille genung seye. Ich habe ihm aber blat herauß gestanden, daß ich zu alt bin, umb einfältige sachen zu glauben. Er hette gern, daß ich alle bagatellen von miraclen glauben solte. Es geschahe etwaß poßirliches den Gründonnerstag, welches mich woll von hertzen lachen machte: Wie ich auß der kirch kam undt ich zum h. abendtmahl gangen war, sprachen wir hernach von miraclen undt jemandts verzehlte, wie daß mons. le prince, des letztverstorbenen[3] herr vatter[4], undt mad. la princesse Palatine[5] bekehret worden were, weillen sie vom holtz vom creütz Christi ins licht gehalten undt es nicht gebrent. Ich sagte, das ist kein miracle, denn es ist ein holtz in Messopotamie, so nicht brent. Pere Lingere[6] sagte, ich wolte kein miracle glauben. Ich andtworte, daß ich die prob zu händen hette, undt das war wahr, denn Paul Lucas hatte mir ein groß stück von dem holtz verkaufft, so glüendt roht wirdt undt nicht brent. Ich stund auff, holte das holtz, gab es dem pere Lingere, ließ es ihn woll examiniren, damitt er nicht zweyfflen konte, daß es holtz were. Er schnitt ein stück davon undt warf das überige ins fewer: das wurde glüendt roht wie ein eyßen undt brante nicht. Wer verhont undt bedutelt[7] war, das war mein gutter beichtsvatter, denn ich konte das lachen nicht halten. Er erholte sich doch wider undt sagte, es stunde nirgendts geschrieben, daß das holtz vom h. creütz nicht brenen solte, also theten die übel, so es ins fewer theten. Ich sagte aber, daß, wenn er die prob nicht vom holtz gesehen, hette ich groß unrecht gehabt, das große miracle nicht zu glauben. Er muste doch endtlich selber lachen undt gestehen, daß er vom holtz nicht geglaubt hette, wenn er es nicht gesehen; pere Cannet undt er hetten sich woll zusammen geschickt. Wenn die fraw von Rotzenhausen[8] mich so mitt meinem beichtsvatter disputiren hört, sagt sie alß recht poßirlich: Ich hoffe zu Gott, E. K. H. werden ihren beichtsvatter endtlich recht woll erziehen. Es ist rar, wenn mein sohn lang bey mir ist, denn er schläfft nie 3 nächte auß Paris undt in der zeit, daß er bey hoff ist, hatt er so viel bey dem König undt ministern zu thun, daß er gar wenig zeit hatt, bey mir zu sein. Mein sohn kan gottlob woll raisoniren, er weiß alle religionen auff ein endt; er ist kein pedant, aber sein gehen würde E. L. choquiren, denn er geht gar übel, den kopff bückt er, schlendert einen arm [207] undt ein bein; aber wenn er will, kan er es beßer machen; wenn er dantzt, ist er gantz ein ander mensch, denn alßdan helt er sich strack …
Der ahn dem frieden arbeydt, heist mons. Roulié[9]. Gestern abendts sagten meine cammerweiber, das geschrey ginge zu Marly, daß der frieden [nicht zu stande kommen], welches mir woll hertzlich leydt sein solte, denn ich wünsche den frieden von grundt meiner seelen …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. April 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 205–207
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0687.html
Änderungsstand:
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