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Brief vom 19. Mai 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


693.


[212]
Versaille den 19. May 1709.
… Mons. de Torcy[1] ist nun im Haag sowoll alß mons. Rouillé[2]; es were wahrlich einmahl hohe zeit, daß es auff ein parley käme; ich bin des leydigen kriegs unerhört müde … Wenn man sicht, wie übel es hir in allem hergeht, were zu glauben, daß sich ein teüffel in weiblicher gestalt hir in findt alß eine gottliche divinitet, aber stille hirvon … Louisse[3], wie ich sehe, ist noch severer alß le seigneur Arnolfe, denn der erlaubte, daß man im heüraht lieben könte, aber sie will es nicht, wie ich sehe. Aber mich deücht doch, daß ein mann mehr ursach haben solte, jalous – eiffersüchtig wolte ich sagen – zu sein, wenn er ein gar verliebt temperament gefunden hette, alß eine recht modeste princes, aber wenn man geheüraht, ist es eine rechte schuldigkeit, seinen mann von hertzen zu lieben. Das ist eine moscowittische liebe, wenn man auß liebe zanckt[4].
In Spanien ist man noch glücklich: der marquis de Bay hatt die Portugisen undt Englander, so mylord Gallovay[5] commandirt, braff geschlagen; der marquis de St. Jean, des ducs de Cadowals[6] dochterman, so die Portugisen commandirte, ist selber mitt 800 Portugisen gefangen [213] worden. Es seindt vom feindt 4000 auff dem platz blieben undt die Spanier haben alles bagage undt zelten undt 17 stück bekommen. Dieße schlagt ist den 7. May geschehen[7].
Wie E. L. hir in Franckreich waren, war es noch der brauch, daß man hoff hilt undt viel leütte sahe; dieße moden aber ist gantz abkommen undt alles hir so unerhort verendert, daß man dießen Königlichen hoff gar nicht mehr kennen kan, wie man ihn vor dießem gesehen hatt. Aber ich kan E. L. versichern, daß ich, wenn die fraw von Rotzenhaussen[8] nicht hir ist, von 2 biß 8 gantz muttersallein bin undt keine lebendige creatur sehe, alß meine hündtger. Jedoch so felt mir die zeit nie gar lang, finde allezeit waß zu thun undt zu schäfftlen, so mir die zeit vertreibt: baldt schreibe ich, baldt leße ich, dan besehe ich meine medaillen, ein anders mahl meine stein, so gestochen sein, ein ander mahl sehe ich kupfferstück, deren ich viel habe …
Es ist eine widerliche sache mitt betteler umbringt zu sein; es ist eine schön ordre zu Hannover, daß man sie ernehrt ohne sie auff den gaßen lauffen zu laßen. Man weiß, daß E. L. charitable undt genereux sein, drumb kommen alle nohtdürfftige zu E. L. … Unßer König in Spanien[9] hatt allen seinen unterthanen durch den duc de Medina Coelli versichern laßen, daß er bey ihnen leben undt sterben wolle, undt sie haben I. M. hingegen versichert, daß sie gutt undt bludt vor ihn ahnwenden wollen. Also wirdt dießer König nicht so leicht abzusetzen sein. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Mai 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 212–213
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0693.html
Änderungsstand:
Tintenfass