Seitenbanner

Brief vom 9. Juni 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


697.


[216]
Versaille den 9. Juni 1709.
… Das lachen vergeht schir in allem undt alles hir wirdt gar ernstlich. Der König hatt all sein golten geschir in die müntz geschickt[1], goltene schüßeln, so mitt demanten undt rubinen eingefast waren, gar schön, eine neff, wo man die servietten in tuht, so die schönste arbeydt, so man mitt augen sehen konte, das wirdt alles geschmeltzt. Es jammert mich recht, es ist eine schöne kron drauff von demanten undt schönnen rubinen. Das macht einen greülich morallisiren. Viel herrn vom hoff haben dem König ihr silbergeschir geschenckt undt wollen nur in erden[2] eßen: der comte de Thoulouse[3] hatt vor 200 000 francken in die müntz geschickt; der duc de Gramont hatte den ahnfang gemacht, der duc de la Rochefoucault[4], mons. de Chamillart[5], die duchesse du Lude[6], made de Maintenon. Ich werde diß exempel nicht folgen, ich habe zu wenig silbergeschir, umb daß es eine summ machen könte. Aber damitt man nicht meinen mag, daß ich den König bravire, so eße ich auch nicht mehr auff goltene teller, sondern auff silberne, undt habe nichts von golt mehr auff meiner taffel. Es ist woll eine heßliche sach mitt dem leydigen krieg, undt noch dazu, daß man kein endt davon sicht. Man hort undt sicht nichts alß trawerige gesichter undt lautter klagen. Mein sohn kompt von Meudon, alwo er mitt mons. le dauphin seyder vergangen Donnerstag ist, sagt, daß mons. le dauphin lustig undt tranquile ist; weillen er es sein kan, will ich es auch sein undt mich umb nichts mehr bekümern. Man sagte mir auch gestern, daß man bey mad. de Maintenon [217] gar lustig alle abendt ist, daß ein solch gelächter ist, daß mans 3 kammern weit hört. Vor den leütten undt ahn taffel, wo ich den König nur sehen kan, ist er ernsthafft undt gar still …
Waß ich den gantzen tag thue, lest sich in kurtzem begriff sagen: in die meß gehen, zu mittag eßen, ein par gestochene stein besehen, ein par blätter leßen, hernach schreiben, nachts umb 10 ins Königs eßsahl gehen, I. M. dort erwarten, biß sie mitt der königliche famille von mad. de Maintenon kommen, nach dem eßen ins Königs cammer gehen, ein Vatter unßer lang da stehen, ein reverentz machen, der König geht in sein cabinet mitt den printzen undt duchesse de Bourgogne undt ich in mein cammer, da gebe ich meinen hündtger biscuit, ziehe meine uhren auff, besehe meine stein, endere von ring, hernach gehe ich nach bett. Damitt wißen E. L. mein gantzes leben; undt ein tag ist wie der ander; ist es schön wetter, gehe ich in gartten oder fahr nach Trianon undt spatzire da …
Gibt man nicht andere propositionen alß die, so mons. de Torcy mittgebracht hatt, wirdt kein frieden werden. Gantz Franckreich folgt der cavalier exempel undt gibt all ihr silbergeschir; das wirdt noch große summen machen, den krieg fortführen zu können. Ich wünsche sehr, daß man etwaß beßers erdencken machen undt den frieden befördern. Alle ehrliche leütte haben woll gesehen, waß unheil darauß entstehen würde, die reformirten weg zu jagen, aber man hatt den pfaffen mehr geglaubt undt alten weibern, drumb geht auch alles so glücklich undt wohl nun hir …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. Juni 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 216–217
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0697.html
Änderungsstand:
Tintenfass