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Brief vom 20. Juni 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


698.


[217]
Marly den 20. Juni 1709.
… Mein sohn hatt von den brennglaßern oder brennspiegel einen, so ihm 2000 thaller gekost, womitt er mitt seinem dockter, der ein Teütscher ist undt Homberg[1] heist, viel experientien thut. Ich weiß nicht, ob es der herr Hartsücker[2] ist, so dießes glaß gemacht hatt; verkaufft selbiger seine microscopen, so will ich Louisse bitten, mir einen von denen zu kauffen, da eine lauß so groß in scheindt …
Mich wundert, daß E. L. haben glauben können, daß es friede werden würde; mitt denen propositionen, so man gethan, welche ich recht barbarisch undt unchristlich finde, daß man einen großvatter zwingen will, seinen leiblichen enckel, der nur auß purem gehorsam die cron von Spanien auffgesetzt, zu bekriegen, das ist abscheülich undt unerhört[3]. Es scheindt woll, daß man keinen frieden begehrt …
[218] Man sicht offt leütte vor feinde ahn, so es woll gar nicht sein, undt hatt leütte lieb undt helt sie vor freünde, so ahn allem unglück schuldt sein; andere sehens undt dörffens nicht sagen; aber stille, diß bringt mich gar zu weit im text. Das muß ich doch noch sagen, daß alle leütte, die nur ein wenig vernunfft haben, woll sehen undt offendtlich sagen, daß alles unglück, so wir nun haben, nur durch die verfolguug kompt, so man den reformirten gethan. Der pere de la Chaise mag woll in jener welt davor leyden; aber sie seindt zu allem unglück nicht alle todt, so dazu geholfen haben, undt werden noch mehr alß ein unglück ahnstellen. Die Frantzoßen beweinen des Königs unglück, weillen sie zu Hannover sein; weren sie hir, machten sie lieder undt stichelvers auff ihn. So sein sie alle; wer einen Frantzosen sicht, sicht taußendt, sie seindt alle auff einen schlag. E. L. haben gutt, nichts darnach zu fragen, sie werden nicht drüber leyden; ich armer teüffel aber, die das gutte nicht mitt genoßen, wie sie die hülle undt die fülle hatten, werde das unglück mitt theyllen, da ich nicht vor kan, denn hette man meinen raht gefordert, weren alle reformirten noch in volliger ruhe hir undt der König hette viel millionen gelt undt leütte mehr, alß er nun hatt.
Mein beichtsvatter[4] verbiedt mir kein opera noch comedie, alß nur den tag vor der beicht; es were ihm woll lieb, wenn ich nicht mehr ’nein ging, aber weillen ich woll weiß, daß ich nichts böß dort thue, so mach ich mir gantz kein scrupel drüber. Die geistlichen machten den weldtlichen vor dießem weiß, der jüngste tag komme baldt, drumb gaben dieße all ihr gutt den geistlichen, vor sie zu betten, damitt sie nicht verdammet würden. Die hatten nicht gelernt, daß man durch seine eygene contrition die sündt abnehmen muß undt nicht durch anderer gebett. Nichts kompt mehr frembt vor, so doll es auch sein mag, wenn man in jugendt dran gewondt ist; ich wolte, daß es in unßer religion erlaubt were, die metamsicose[5] [zu glauben], denn es were ein trost, wenn man sich fest einbilden könte, die, so man lieb gehabt, wider auffs neue leben zu sehen, undt auch hoffnung zu haben, wider kommen zu können … Weillen hertzog Max[6] catholisch geworden, ist sein patter Wolff[7] sein beichtsvatter ohne zweyffel. Hir im landt konnen die jesuwitter keine gütter erben noch haben; sie haben einen großen proces deßwegen verlohren. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Juni 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 217–218
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0698.html
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