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Brief vom 11. Juli 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


700.


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Versaille den 11. Julli 1709.
Man lest mich nun wider nach E. L. gnädige schreiben seüfftzen, denn seyder 8 tagen habe ich kein gnädig schreiben von E. L. entpfangen, es mögte woll dießelbige ursach sein, so man mir gestern verzehlt, daß man zu Rom bey Pasquin undt Marphorio[1] gefunden. Marphorio fragt, warumb alles in Franckreich so geendert seye undt so übel zugeht? so andtwort Pasquin auff latein: Mainte – non – agit. Dießes latein mögte auch woll die ursach sein, daß ich kein schreiben von E. L. habe. Das sprichwort ist woll wahr, so sagt, daß es beßer bey lewen undt drachen zu wohnen ist, alß bey einem boßen weib. Die princes des Ursins[2], so gesehen, daß mein sohn sich in Spanien beliebt gemacht, ist jalous von ihm geworden undt hatt ihm einen schlimen possen ahngemacht: ein edelman von mein sohn, so sein aide de camps geweßen undt vergangen jahr mitt einem pferdt gefallen undt ein bein gebrochen, fühlt noch große schmertzen ahn dem bein; derowegen hatt er mein sohn gebetten, ihm zu erlauben, nach Barèges zu reißen, das baadt zu brauchen. Er ist durch Spanien hin. Wie das die princes des Ursins erfahren, hatt sie ihn alß criminel d’estat durch den König in Spanien gefangen nehmen laßen, umb mein sohn verdächtig zu machen, alß wenn er [221] gegen den König in Spanien revoltiren wolte, da mein sohn doch so trew undt woll undt nützlich vor ihn gedint hatt[3]. Da sehen E. L., wie boßhafft undt falsch diß weib ist. In der zeit, daß sie meinem sohn dießen possen thut, schreibt sie mir einen großen brieff undt gibt mir mehr protestationen von ihrer freündtschafft alß nie. … Die Spanier haben meinem sohn alß ihr leydt geklagt über dieß böße weib, wie sie alles gelt auß Spanien zicht … ; in Spanien aber gegen die princes des Ursins zu reden, ist ein crime de lèze majesté.
Wenn E. L. gesehen hetten, wie der printz Eugene ein klein muthwilliges, schmutziges bübchen geweßen, sie hetten dem König kein unrecht geben, nichts sonderliches vor ihn gethan zu haben. Ich habe ihn verflucht, weillen man mir versichert, daß er die tractaten so schwer hette auffsetzen laßen expresse umb den frieden zu brechen, welches mich recht böß über ihn gemacht hatt. …
Ich fünde alles schön von die divertissementen von Dresden, wenn König Angustus keinen ahnschlag hette undt kein gelt von nöhten, aber so kompt es mir wie eine thorheit vor. Ich sehe, daß man ahn dem säcksischen hoff die mode nicht vergeßen hatt, sich alle dag doll undt voll zu sauffen. Ich fürchte, daß des Königs in Preüssen divertissementen in nichts alß ceremonien bestehen werden …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Juli 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 220–221
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0700.html
Änderungsstand:
Tintenfass