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Brief vom 8. September 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


705.


[225]
Versaille den 8. September 1709.
… In der relation, so E. L. mir belieben zu schicken, stehet positif, daß, wie die Moscowitter die statt Ozakow, worinnen der König in Schweden sich retiriret hatte, umbringt, ist der König selbfünfft entkommen undt nach der Turquey, wo er durch den grentzbacha sehr honneste auffgenohmen worden. Es were possirlich, wenn sich der König in Schweden itzunder in den kopff steckte, den türckischen Keyßer zu detronisiren undt sich auß devotion türckischer Keyßer machen, umb die christliche evangellische religion einzuführen. In serail von weiber wirdt er keine despence thun, weillen er die weiber nicht leyden kan; dadurch wirdt er sich vielleicht beliebt bey den Turcken machen, denn sie haben nicht zu fürchten, daß er sie zu hanereyen macht. …
[226] E. L. werden nun wißen, daß I. L. der Churfürst von Braunsweig sich wider zurückgezogen hatt undt wider jenseydt des Rheins ist, nachdem es dem Mercy[1] so übel gangen ist. Mich wundert, daß I. L. dero Churprintz nicht bey sich haben wollen; der Churprintz hatt groß recht, betrübt drüber zu sein.
Da seindt doch wenig exempel von bey den lutherischen, daß eine dame so gar nichts von der bibel weiß wie made Wey[2]. Man lest ja niemandts zum h. abendtmahl gehen ohne seinen catechismus zu wißen; wie ist dieße durchkommen? Vielleicht wirdt ahn Abrahams taffel salat sein im paradeis undt die engel, so noch im gartten Eden sein, können woll gutte kreüter darauß samblen; undt daß man öhl im himel macht, da konnen wir nicht ahn zweyffeln, nachdem Elias durch miracle so viel öhl gemacht hatt[3]. Wo aber der eßig herkommen wirdt, weiß ich nicht, doch weillen unßer herr Christus auff der hochzeit von Canna so viel wein gemacht hatt, kan er auch woll einen gutten krug eßig machen. Das ist eine schönne theologie, worinen mich made Wey geführt hatt, sie zu trösten, nicht ohne salat in jener weldt zu sein.
Es ist schadt, daß ein mann wie mylord Marlbouroug, der so viel gutte sachen hatt, es alles mitt seinen geitz verdirbt undt ridicul dadurch wirdt. Er muß das lutherische liedt nie gesungen haben:
Was ist der mensch? ein erdenkloß,
Von mutterleib kompt nackendt undt bloß,
Bringt nichts mitt sich in dieße weldt,
Weder gutt noch gelt,
Führt nichts mitt sich, wenn er hinfelt

Ich finde, daß der König in Preüssen gar woll gethan hatt, den betrieger, den Gaetano[4], hencken zu laßen; ich wolte, daß er es meinem tresorier Davaust[5] auch so machen wolte, wolte ihn ihm gern schicken. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. September 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 225–226
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0705.html
Änderungsstand:
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