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Brief vom 27. Oktober 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


712.


[231]
Versaille den 27. October 1709.
… Es wundert mich, daß mons. Munchhaussen ananas in hannoverischen gegenden[1] hatt können wacksen machen; ich meinte, es gehörte große hitz dazu, dieß jahr insonderheit glaube ich nicht, daß sie woll werden gerahten sein, denn der kalte winter hatt alles zu schanden gebracht.
Die comtesse de Gramont s[eelig] hatt mir gesagt, daß ihr vatter[2] sich gantz mitt chimy[3], umb die pierre philosophale zu suchen, ruinirt hatt. Ich glaube, daß der gutte dockter Tack[4] auch nichts dabey gewunen hatt. Golt kan mein sohn woll ohne golt machen, denn er ist gar curieux von chimie, aber er sagt, es were kein profit dabey; wer ein mahl die naß in dieße curiositet setzt, kan sich schwerlich herauß ziehen; ich habe sie nie gehabt. Mein sohn hatt im palais Royal ein gantz apartement unter dem großen apartement zum laboratoire gemacht; seine lust ist auch, metallen mitt dem brenspiegel zu schmeltzen. Ich glaube, daß ihn dießes woll so offt zu Paris auffhelt, alß sein braun schätzgen. Wenn er von sein laboratoire kompt, sicht er gar nicht übel auß. Es ist ein Saxs, so in Indien geboren ist, so mitt ihm laborirt, er hatt viel verstandt, heist Humberg[5]; er sagt, er kenne den herrn von Leibnitz gar woll; ich weiß aber nicht, ob der herr Leibenitz sich seiner erinern kan. Ich glaube, daß, wenn man einem gleich proponirte, 80 000 thaller zu geben, würde es niemandts unterfangen, aber es kompt nach undt nach undt man wirdts nicht gewahr alß wenn die summen weg sein …
Der Czaar wirdt endtlich recht werden wie ein heros de roman so perfect, denn waß kan man schönneres sehen alß daß er einem verjagten fürsten sein landt wider gibt. Die Churländer können das sprichwort sagen: es sicht hir auß alß wenn die Schweden hir geweßen weren, weillen sie alles mittgenohmen haben, was sie in Curlandt gefunden haben. Der chevalier de St. George[6] ist gar zu devot, umb seine religion zu endern, aber er lernt den krieg, umb sein Königreich mitt der zeit wider zu gewinen. Man ist ja in Franckreich catholisch ohne dem papst zu gehorchen noch ohne ihm unterthan zu sein …
Ich glaube, es wirdt die princes von Allen[7] sehr mortificiren, ihre kinder so nahe zu wißen, ohne sie zu sehen; in dem fall jammert sie mich doch, mögte wißen, ob ihre kinder keine lust hetten, sie zu sehen, glaube, daß sie ebenso gern die fraw mutter alß großfrawmutter sehen mögten …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Oktober 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 231–232
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0712.html
Änderungsstand:
Tintenfass