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Brief vom 26. Dezember 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


715.


[233]
Versaille den 26. December 1709.
… Gestern habe ich den gantzen tag in meiner cammer cristlieder gesungen; die paucken undt trompetten werden E. L. auff den neüjahrstag in dulci jubilo-ho-ho, nun singet undt seydt fro-ho-ho[1] wider lehrnen. Zu Heydelberg sung man in der schloßcapel undt Heylligegeistkirch gar offt die lutherische lieder; aber ich glaube, E. L. reformirte kirch ist nur eine frantzösche gemeine zu Hannover. Mein sohn sagt E. L. demütigen danck vor die beschreibung von dem herrn Leibnitz wegen der Wenden.
Sobaldt la mort de Cezar gedruckt sein wirdt, werde ich sie E. L. schicken; ich finde aber nicht, daß madlle Barbié[2], so dieße tragedie gemacht, die Römer so woll reden macht, alß Corneille, denn mich deücht, sie macht Cezar zu furchtsam vor den todt, Brutus zu ungewiß undt Antonia zu coquet undt Porcie zu amportirt. Le legataire kan ich gar nicht leyden; gantz Paris ist charmirt von dießer commedie geweßen, so ich gar nicht possirlich finde. In dießen schlimmen zeitten, da wenig gelt vorhanden ist, hoffe ich, daß man sich so woll gewohnen wirdt, dem papst nichts mehr zu schicken, daß es vor ewig dabey bleiben wirdt …
[234] Ich beklage die printzes von Allen[3], ihre kinder nie zu sehen, sonsten finde ich sie nicht so sehr zu beklagen; ich führe selber kein zeitverdreiblicher leben alß sie. Königsmarck war zu insolent, hatt seine straff woll verdint. Aber weillen dieße erinerungen E. L. chagrin machen, will ich weitter nichts davon sagen.
Ich finde, daß der König in Preüssen recht woll gethan, den tartuffe Francke[4] von seinem hoff zu thun; da kan nichts guts von kommen. Es ist gewiß, daß die geistlichen zu viel gütter haben. Ich habe ein manuscript gesehen von Saint Bernard[5], so noch in dem archiv vom hauß Chastillon ist, worinnen dießer heyllige verspricht, allen denen vom hauß Chastillon so viel platz in dem himmel zu geben, alß sie ihm landtgütter in dießer weldt geben würden; haben sich auff dießes versprechen ruinirt undt die münchen[6] reich gemacht …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Dezember 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 233–234
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0715.html
Änderungsstand:
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