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Brief vom 19. Januar 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


717.


[235]
Versaille den 19. Januari 1710.
… E. L. werden woll gehört haben, wie devot der duc de Bourgogne ist, daß er keine andere dame, alß seine gemahlin ahnsehen will. Dieße, umb I. L. ein wenig zu plagen, sagte zu mad. de la Vrilliere[1] einsmahls, sie solte sich in ihrem platz in ihr bett legen. Selben abendt stelte sich die duchesse de Bourgogne gar schläfferig; der duc de Bourgogne, [236] erfrewet, daß sie einmahl früh undt vor ihm zu bett gehen wolte, zog sich geschwindt auß, umb auch nach bett zu gehen. Wie er in die cammer kompt, fragt er: où est madame? Sie antwordt, alß wenn sie im bett were: me voicy. Er geschwindt dem bett zu, wirfft den nachtsrock weg undt springt geschwindt ins bett. Er lag aber nicht sobaldt, da kam die duchesse de Bourgogne vors bett auff seiner seydt undt stelt sich böß ahn, sagte: comment est il possible que vous, qui faittes le devot, je vous trouve couché entre deux draps avec une des plus jolis dames de ce pais cy? Er sagte: que voules vous dire? Sie sagte: reguardés qui est couché aupres de vous. Da kam der zorn, er nahm le moine bey den axeln undt warff sie auß dem bett, sie hatte nicht die zeit, sich zu erhollen undt ihre pantoffeln vor dem bett zu nehmen, denn er wolte sie recht in ernst mitt seinen pantoffeln schlagen, sie muste ohne ihre pantoffeln davon lauffen; er konte sie nicht ertappen, rieff ihr allerhandt invective nach, villaine, effrontée waren die geringste. Man wolte ihm zusprechen, sie konten aber alle nicht vor lachen, endtlich verging doch der zorn. Vor etlichen tagen wolte die marechalle de Ceuffre[2] den duc de Bourgogne mitt gewalt küßen, er wehrte sich lang; wie er nicht weitter konte, steckte er ihr eine große stecknadel im kopff so starck, daß sie die cammer undt das bett davon hüten muß. So arg hats Joseph nie gemacht, er lieff nur davon undt ließ den mantel, aber er schlug noch stach nicht umb sich; solche keüschheit hatt man noch nicht erlebt.
Mich deücht, daß in der h. schriefft stehet, daß man nichts böß thun soll, umb daß etwaß guts drauss erfolgt[3], also wofern die Königin in Preüssen auff ihre unterthanen ein zins machen will, ihr spital zu bawen, kan ihr gutt werck nichts mehr deügen, denn ihr erste schuldigkeit ist, vor die unterthanen zu sorgen undt denen keine zu schwere last aufzubürden; aber wenn sie von ihrer garderobe undt spielgelt zurück legte, das könte mitt der zeit woll eine summe machen, davon sie ihr spital auffrichten könte, aber solches mitt bettelleyen undt inventionen von herrn Francke[4] einzurichten, da halt ich nichts von …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Januar 1710 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 235–236
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0717.html
Änderungsstand:
Tintenfass