Seitenbanner

Brief vom 8. Mai 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


726.


[247]
Marly den 8. May 1710.
… Solte, wie man hir gesagt hatt, hertzog Anthon Ulrich pretendiren, Churfürst von Cöln zu werden, so hatt er E. L. wahr gesagt, daß er aus keinem weltlichen interesse geendert hatt, denn dieße gütter seindt ja alle geistlich; ich glaube aber nicht, daß es ahngehen kan, so lang Chur Cöln[1] lebt, denn der gutte fromme herr hatt nichts gethan, so gegen den geistlichen standt ist, kan also von seinem bischtum nicht abgesetzt werden. Ich mögte wißen, ob I. L. die beicht nicht schwer ahnkompt; wenn man abjuration gethan, muß man eine confession generale thun, aber der hertzog muß ein gutt undt starck gedächtnuß haben, wo I. L. sich erinern können, was sie seyder 70 jahr gesundiget haben …
Mein beichts[vatter[2]] undt ich disputtiren offt starck, aber ich laß ihm nichts drein gehen. Was ich gar nicht leyden kan, ist, daß er die reformirten verdammen will, undt ich soutenire ihm, daß das nur ein möngengespräch undt gezänck ist undt daß alle wahren christen, sie mögen catholisch, lutherisch oder reformirt sein, all eines glaubens sein, wenn sie Gott lieben, dem negsten nichts zu leydt thun undt sich der gutten werck, so die rechte früchte des glaubens sein, befleißigen, undt daß sein urtheil niemandts salviren noch verdammen kan undt, was er auch sagen mag, daß ich nie anderst glauben werde. Da sehen E. L., daß ich offt härter disputire, alß vor die langeweille, so mir das lateinische geblerr gibt; so pfaffenwerck kan ich vor meinen todt nicht leyden …
[248] Des printz Eugenius meritten seindt ihm in Teütschlandt gewacksen wie die haar, denn wie er hir war, spürte man es gar nicht, sondern gantz contrarie, er war nichts alß ein schmutziger, sehr desbauchirter bub, der gar keine hoffnung zu nichts rechts gab, das kan ich E. L. gar mitt warheit versichern …
Daß die printzes von Allen[3] vor ihrem spiegel sitzt, ist ihr [zu] entschuldigen undt weist, daß die coquetterie ihre gantze natur ist, also kan sie nicht meister davon sein; sie muß auch ein wenig romanesque [sein], hofft vielleicht, im waldt ein chevallier errant zu begegnen, der sie enleviren mögt …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. Mai 1710 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 247–248
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0726.html
Änderungsstand:
Tintenfass