Brief vom 8. Juni 1710

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Versaille den 8. Juni 1710.

… Unßer König ist von gesicht unerhört geendert, aber I. M. haben noch gar hohe undt gutte minen undt wenn sie reden, seindt sie noch ahngenehm. Die almächtige dame undt pupil^[1] haben woll vor unß gearbeydt; dießes mahl ist unßer neües einmahl waß guts geweßen, gegen den sprichwort, so sagt: alle tag waß neües, selten waß guts … Das ist der menschen boßheit, so macht, daß man sich über des gutten hertzogs von Braunsweig maniren scandallisirt, denn ich bin persuadirt, daß was er thut nur geschicht, die christlichen religionen zu vereinigen, halte es also vor ein recht christlich werck, das man viel mehr loben alß blasmiren solte, denn wenn das überall könte practicirt werden, würde der haß nicht mehr unter den christen undt unterschiedlichen religionen bleiben undt man würde nicht mehr verspüren, daß ein unterschiedt ist, welches gutt sein würde, undt die pfaffen würden erdapt sein, die ahnstatt mittel zu suchen, die einigkeit zu erhalten, alle tag neüe sachen erdencken, die religionen zu brouilliren undt den haß zu erhalten, welches ich vor eine große sünde halte.
Ich bin so ahn allerhandt heürahten hir gewont, daß mir der von dem gutten hertzog^[2] gar sortable vorkompt; vor E. L. undt mich kan ich gutt sein, aber weytter gar nicht. Was die hertzogin von Zel^[3] hatt thun wollen, wundert mich gar nicht, das ist recht le genie de la nation, überall wollen sie regiren undt waß zu intriguiren haben. Ich weiß dem hertzog recht danck, dießen dollen heüraht nicht gethan zu haben; es ist ja woll genung, daß dießer maußdreck schon einmahl den pfeffer vom hauß verdorben hatt, ohne es wider von neuem zu verderben …