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Brief vom 29. Juni 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


731.


[251]
Versaille den 29. Juni 1710.
… Alle die, so das bawen lieben, haben das, daß sie gern endern undt wider ahnfangen; unßer König hir ist auch so, es ist kein ort in Versailles so nicht 10 mahl ist geendert worden, undt offt geschicht, daß es nicht beßer wirdt. Churbayern folgt nicht allezeit den besten raht, sonsten hetten I. L. nicht so 2 oder 3 dolle reißen her gethan; wenn man den von Cöln sicht, kan man sich nicht verwundern, was er gethan, er ist die unschuldt selber. Solte es frieden werden, kan ja Churcöln seine eintrachten wider genießen undt Churbayern sein hertzogdum wider bekommen. Ich habe die exemplar von dem buch von der holländischen fraw auffsuchen laßen undt was sie von E. L. verzehlt gantz endern laßen. Sie sagt, E. L. hetten die hertzogin von Zel undt ihre dochter stehts verfolgt, undt lautter solche lügen, die mich recht ungedultig gemacht haben. Das buch von die amour von Charles Louis[1] hatt mich so ungedultig gemacht, daß ichs verbrent habe.
E. L. seindt gar zu gnädig, unßere freüde über mein enckel ihren heüraht[2] zu theillen, welche woll gar groß ist. Mein sohn ist so geschäfftig, seine dochter zu putzen, alß Monsieur s[eelig] je hette thun mögen. Letzt ging eine scene vor, so recht poßirlich war undt mich hertzlich hatt lachen machen. E. L. erinern sich noch woll das schöne demanten ohrgehenck, so Monsieur hatte, so lautter tropffen sein; die hatt mein sohn seiner dochter destinirt. Made d’Orleans[3] hatt sie aber seyder Monsieurs todt allezeit getragen. Mein sohn nahm die ohrgehenck undt brachte sie seiner dochter. Wie die fraw mutter sahe, daß es rechter ernst war, finge sie gar bitterlich ahn zu weinen; die dochter, so die mutter weinen sahe, brachte sie gleich [252] wider; da fing die fraw mutter wider ahn zu lachen. Die dochter sahe aber auch nicht so baldt, daß ihre fraw mutter sie behalten würde, da fing dieße wider ahn zu weinen. Mein sohn undt ich lachten über dieße scene, daß wir die seytten hielten …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Juni 1710 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 251–252
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0731.html
Änderungsstand:
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